My Side
  365 Days
 

Every day is a blessing to be alive

So give thanks to the one up above

Or the ones who are near

365 days of the year





Endlich hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen. In der letzten Stunde hatte sich meine Flugangst doch leicht bemerkbar gemacht, aber diese versuchte ich wirklich zu verdrängen, da ich im Moment größere Probleme hatte, die ich erst einmal in den Griff bekommen musste.

Ich lag auf den Bauch gedreht auf meinem Bett und starrte das Bild auf dem Nachttisch an, welches Chris von Roxy und mir gemacht hatte, kurz nachdem wir zusammengekommen waren. Damals war es noch echt schön gewesen und ich hatte noch nicht so viele Probleme wie an diesen Tagen, aber ich wusste, dass ich die Kraft dazu aufbringen konnte, diese zu verändern.

Heute war es genau ein Jahr her, an dem Roxy und ich uns durch meine beste Freundin kennengelernt hatten und ich konnte immer noch nicht ganz fassen, was in diesen 365 Days alles vorgefallen war.

Es klopfte an der Tür und ich blickte auf. “Richie, Roxy ist da!“, rief Jay mir hinein und dann war alles wieder still. Ich seufzte. Warum musste sie auch gekommen sein? Nun, ganz einfach: Sie leitete die Produktion zu unserem neuen Video, Rythm of Life und jetzt war sie gekommen, um mit uns alles zu besprechen, obwohl es mir nun überhaupt nicht in den Kram passte, aber gegen Mike und Mark konnte ich sowieso nicht widersprechen.

So stand ich also auf und tapste langsam hinaus, um Roxy im nächsten Moment auch schon zu Gesicht zu bekommen.

Zwar beachtete ich sie nicht großartig, doch zu übersehen war sie auch nicht. Sie kramte in ihrer Tasche Block und Stift heraus, als wir uns alle an den kleinen Wohnzimmertisch gesetzt hatten, dann blickte sie in die Runde und ich spürte, wie ihre Augen eine ganze Weile auf mir ruhen blieben, bis sie sich dann ihren Notizen widmete.

Dann lasst uns mal beginnen. Ich habe mir das so gedacht...“, hörte ich sie sagen, doch mit meinen Gedanken war ich wieder einmal ganz woanders, nun ja, nicht ganz, denn in meinem Kopf schwirrte immer nur ihr Gesicht. Warum musste es überhaupt soweit gekommen sein? Wie kam sie nur auf den Gedanken, dass ich etwas Besseres verdient hätte? So viele Fragen umkreisten mich, auf die ich einfach keine Antwort wusste.

Richie? Hörst du uns überhaupt zu?“, holte mich eine Stimme und eine fuchtelnde Hand aus meinen Gedanken, wobei ich merklich zusammenzuckte und entgeistert in die Runde blickte. Ich nickte, doch hatte keinen blassen Schimmer, worüber die Jungs und Roxy soeben gesprochen hatten.

Entschuldigt mich bitte!“, murmelte ich, stand auf und bevor jemand protestieren konnte, war ich auch schon mit Kendra aus der WG verschwunden.

Ich lief durch den Park, welcher sich nicht weit entfernt von der WG befand. Der Himmel hatte sich verdunkelt und dichter Nebel stieg auf. Ich kam mir vor, wie in einem Horrorfilm. Ziemlich unheimlich musste ich mir gestehen, aber das war nun wirklich mein kleinstes Problem.

Kendra schnüffelte im Laub und schien vollkommen sorgenfrei zu sein. So ein Hundeleben war wirklich zu beneiden, aber man konnte nun einmal nicht alles haben.

Der Nebel wurde immer dichter und man konnte kaum noch die Hand vor seinen Augen sehen. Eigentlich war es recht ungewohnt in Berlin so einen Nebel zu erleben, aber für alles gab es schließlich irgendwie ein erstes Mal.

Kendra“, rief ich in die Dunkelheit, als auch schon die ersten Regentropfen den Boden bedeckten. Sie schien mich nicht zu hören, nur noch ihre Schritte waren zu vernehmen, die allerdings immer weiter verklangen, bis nichts mehr zu hören war. Wo war sie denn nur? “Kendra!“, rief ich noch einmal, diesmal lauter, aber auch jetzt hörte ich nur den Wind in den Bäumen rascheln.

Richie!“ Was war das? Wer hatte mich gerufen? Auf dem Absatz drehte ich mich um und sah dunkle Schatten auf mich zukommen, die ich noch nicht erkennen konnte, war schließlich auch kein Wunder, denn der Nebel hatte sich eiskalt um meinen Körper geschlungen und bildete eine Gänsehaut meine Wirbelsäule entlang.

Als die Gestalten näherkamen, erkannte ich, dass es sich hierbei um die Jungs und Roxy handelte, die recht besorgt dreinsahen. “Was ist los?“, wollte ich wissen und ärgerte mich darüber, dass ich wieder einmal nicht zur Ruhe kam.

Das sollten wir besser dich fragen.“ Alle stellten sich um mich herum und sahen mich durchdringend an.

Was soll sein?“, erwiderte ich pampig und vergrub meine Hände, die ich zuvor zu Fäusten geballt hatte, in meinen Hosentaschen.

Nacheinander seufzten alle und schienen nichts mehr darauf sagen zu wollen, was mir nur zu gut kam, denn ich war immer noch sauer auf jeden Einzelnen, hätte ich sie nicht kennengelernt, dann wäre mein Leben womöglich auch nicht so verfuscht gewesen, aber vielleicht war ich auch selber Schuld daran, schließlich hatte ich mir das alles allein zuzuschreiben.

Nicht gerade sanft schubste ich Mikel beiseite und stampfte weiter in dem inzwischen entstandenen Matsch herum.

Eigentlich konnte ich meine schlechte Laune auch nicht verstehen, aber andererseits waren die anderen Schuld an dem ganzen Chaos.

Abrupt blieb ich stehen und überlegte kurz. Nein! Sie waren nicht Schuld! Sondern ganz allein ich! Ich konnte es nicht leugnen und musste es endlich eingestehen. Die Jungs und auch Roxy traf keine Schuld, sondern nur mich, schließlich war ich in dem vergangenen Jahr so trotzig gewesen und ließ niemanden an mich heran.

Nun gut, es war allerhöchste Zeit mein Leben umzukrempeln, vollkommen. Für einen kurzen Moment schloss ich meine Augen und drehte mich daraufhin um, damit ich den anderen, die mir gefolgt waren, gegenüber zu stehen, doch die schienen nicht mehr sonderlich an meiner Laune und meinem Wohlbefinden interessiert zu sein, denn ihre Blicke gingen direkt an mir vorbei oder auch durch mich hindurch, so als wäre ich ein Gespenst oder etwas in der Art. Was war denn jetzt kaputt?

Der Regen wurde stärker und nicht weit entfernt von uns schlug ein Blitz in einen Baum ein, was mich merklich zusammenzucken ließ. Und wieder erschien die Zahl 365 vor mir. Ein Jahr war es her, als ich Roxy kennengelernt hatte, ein Jahr war es her, dass ich mit Naomi zusammen war und ein Jahr war es her, als wir uns eine Auszeit von dem Bandleben genommen hatten. Nun ja, hin und wieder hatten wir noch Auftritte, aber wir wollten nichts mehr überstürzen, wie in der Anfangszeit, denn wir wussten, dass uns unsere Fans treu bleiben würden. 365 ganze Tage!

 

Why wait 'til the time passes by

To say whatever's on your mind

Show the ones that you love everyday - yeah

Oh give the spirit of love in your heart

Right now is a good time to start

Don’t you wait and don’t hesitate

Cause tomorrow just might be too late

Cause...

 

Nun wollte ich doch einmal genau wissen, warum meine Freunde so bleich geworden waren, also drehte ich mich auch um und mir fiel die Kinnlade nach unten, sodass ich aufpassen musste, dass diese nicht den Boden berühren würde. Woher kam dieses Haus, welches sich soeben vor uns erstreckte? Zuvor war mir dieses bislang noch nicht aufgefallen.

Ein großer Zaun zierte das Grundstück und das Haus sah wie in den Stephen King Filmen aus. Groß gebaut und von Spinnenweben umgeben. Die Spitze des Daches wurde von dichtem Nebel umzogen und die Fensterläden hingen bereits aus den Angeln.

Fragend blickte ich in die Runde, doch die Leute schienen immer noch keine Regung von sich zu geben, also tat ich das, was ich als erstes dachte. Ich machte meinen Schritt nach dem anderen, bis ich an diesem hohen, mit rostbesetztem, Zaun ankam. Leicht strich ich darüber und wie von Zauberhand öffnete sich das Tor. Ein kalter Schauer lief meinen Rücken hinab.

Zwar war ich bekannt dafür, dass ich ein vollkommener Horror-Freak war, aber das war nun wohl doch etwas zu viel des Guten oder vielleicht auch Schlechten.

Mich hatte die Neugier gepackt, daran gab es keinen Zweifel, doch ob ich da wirklich hineingehen sollte?

Die Antwort lag glasklar auf der Hand: Natürlich, ob die Anderen mitgehen würden oder nicht, das war mir derzeit egal, ich wollte bloß wissen, was das für ein unheimliches Gemäuer war.

Richie, warte!“, hörte ich Roxys Stimme in meinen Ohren, doch ich hielt nicht an. Wie paralysiert steuerte ich auf die alte Eichentür zu und legte meine zittrige Hand auf den goldbesetzten Knauf, doch ich schnellte zurück, als ich etwas Warmes auf meinem Handrücken spürte. Meine Augen weiteten sich und mir stand die Angst ins Gesicht geschrieben.

Ich stand kurz davor, einfach auf dem Absatz kehrt zu machen und das Weite zu suchen, aber andererseits war ich mir auch bewusst, dass es kein zurück mehr gab.

Die Äste peitschten lautstark gegen die Fenster und der Regen wurde immer stürmischer, das war noch ein Grund, warum ich nicht mehr zurückwollte. Ich hatte wenig Lust wie ein begossener Pudel wieder in die WG zu kommen.

Ich bemerkte, wie die anderen sich um mich stellten, alle der Reihe nach, doch mich kümmerte das schon nicht weiter.

Noch einmal atmete ich tief durch und schloss die Augen, während ich die Tür mit einem Ruck offnete, aber das schien anscheinend etwas zu heftig gewesen zu sein, denn schon lag ich auf allen vieren auf den knarrenden Dielen und hörte nur noch meinen Aufprall, als es bereits wieder ganz still um mich herum wurde.

Als Jay mir aufgeholfen hatte, sahen wir uns alle um. Na ja, von außen war das Haus doch um einiges unheimlicher, als von innen.

Die Dielen knarrten und überall hingen Spinnenweben. Gemälde waren an die Wände gehängt worden und kein Licht brannte.

Lasst uns hier bleiben bis der Sturm vorbei ist“, meinte Jay und hatte Schwierigkeiten gegen den Wind anzukommen, da dieser die Tür einfach nicht ins Schloss fallen lassen wollte.

Jedoch waren wir alle einverstanden mit seinem Vorschlag und so setzten wir uns auf die Treppe, während ich Roxy die ganze Zeit über aus meinen Augenwinkeln heraus beobachtete. Sie hatte sich eng an Mikel gekuschelt, was mir ein Dorn ins Auge stach. Ich kochte vor Eifersucht, wollte dies allerdings nicht zeigen, da mein Stolz wiederum doch etwas zu groß war.

Krampfhaft versuchte ich wegzuschauen, jedoch erwischte ich mich immer wieder dabei, wie ich verstohlene Blicke zu den Beiden warf. Ob sie wohl zusammen waren? Nein, das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen und dennoch war ich eifersüchtig.

Leicht ließ ich meinen Blick durch das Haus schweifen. Unheimlich war es schon, vor allem, da draußen auch weiterhin ein heftiges Gewitter tobte.

Und wie lange sollen wir bitte noch hier bleiben?“, hörte ich Mikel fragen, während er über Roxys Rücken immer auf und ab strich, aber keiner gab eine Antwort von sich, zu sehr waren wir alle in unsere Gedanken vertieft.

Doch davon hatte ich, in gut deutsch gesagt, schon bald die Schnauze voll, stand also auf und beschloss, mich etwas umsehen zu gehen, auf die Anderen achtete ich bereits nicht mehr.

Langsam stieg ich die Treppe hinauf und hielt mich dabei instinktiv am Geländer fest, denn sehen konnte ich in dieser Dunkelheit nicht sonderlich viel.

Meine Beine zitterten und fühlten sich an wie schweres Blei, welches meine Glieder hinaufstieg. Spinnenweben klebten an meinen Händen und mich umwedelte der viele Staub, der durch die Räume schwebte.

Als ich oben angekommen war, erstreckte sich eine braune Holztür vor mir. Mit leichtem Ekel wischte ich die Spinnenweben beiseite und legte meine Hand auf den Türknauf, dann zögerte ich allerdings noch eine Weile und war kurz davor, einfach wieder umzukehren, aber meine Neugier war stärker.

Mit einem kurzen Ruck drückte ich die schwere Tür auf und landete mit dieser in dem Raum. Nichts war zu sehen, weder Stuhl noch Tisch noch Bett. Einfach eine leere Kammer mit einem kleinen Fenster.

Mir zog es im wahrsten Sinne des Wortes die Fußnägel hoch, als ich mir jede Ecke genau betrachtet hatte. Schien vor einigen hundert Jahren hier wohl ziemlich etwas abgegangen zu sein, um genauer zu werden: Folterungen bis zum Tod!

Ich entdeckte eine Streckbank, an der Menschen gezogen wurden, bis ihre Knochen brachen, dann noch Stricke und Peitschen. Diese ganzen Sachen mussten hier schon ewig herumliegen, dachte ich mir und sah mich weiter um, bis eine Turmuhr Mitternacht schlug und ein greller Schrei zu vernehmen war, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Merklich zuckte ich zusammen und legte meine Hand auf meine Brust, wobei ich spürte, wie mein Herz wild raste, es hatte sich mindestens um das Doppelte beschleunigt. War das nicht Roxy gewesen?

Schnell schüttelte ich den Kopf, um diesen Gedanken von mir zu weisen, so klang sie keineswegs, aber was war es dann? Und vor allem: Woher kam diese Stimme?

Ruckartig sprang ich einen Schritt nach hinten und sah mich suchend um, in der Hoffnung, eine brauchbare Spur zu finden. Ich wollte dem Geschrei folgen, egal, wo ich am Ende landen würde.

Gesagt getan. So begab ich mich also auf den Weg, immer weiter nach oben, bis die Treppe irgendwann einmal aufhörte weiterzuführen. Ich befand mich auf einem Dachboden, das war eindeutig und ohne Zweifel.

Die Schreie waren kaum mehr zu vernehmen und dennoch wusste ich, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand. Schweiß stand mir auf der Stirn und ich spürte deutlich, wie ich blass um die Nase herum wurde.

Vor mir erstreckten sich in voller Größe zwei Menschen, eine Frau und ein Mann. Offenbar stritten sie miteinander, aber nahmen keine Notiz von mir.

Dem Spektakel sah ich stumm zu, während mein Herzschlag sich um noch eine weitere Geschwindigkeit erhöhte.

Ich sah, wie der Mann ein Messer herauszog und damit die Frau bedrohte. Er kam ihr näher und näher, sie schien zu schreien, doch von ihr war nichts zu hören.

Ich schaute zu, wie dieser Mann die Frau, die kaum älter war als ich, in kleine Stücke riss. Immer wieder stach er zu, bis kaum mehr etwas von ihr übriggeblieben war. Ihre Eingeweide lagen verstreut auf dem Boden. Sie hatte noch versucht zu entkommen, doch ohne Erfolg.

Ich ging in die Knie. Dieser Anblick war kaum zu ertragen. Ich zitterte am ganzen Leib und wünschte mich einfach an einen anderen Ort. Bitte, lass das alles nur ein böser Traum sein, betete ich im Inneren und schloss für einen Moment die Augen, da ich annahm, wenn ich sie wieder öffnete, würde alles vorbei sein.

Pustekuchen! Ich sah zwar nichts mehr, aber dennoch hörte ich Schritte, die sich mir immer weiter näherten. Ich war starr vor Schreck und mein Atem ging schnell, mein Herz hämmerte wie wild gegen meine Brust und ein Schrei bahnte sich meine Kehle nach oben, da es ins Freie gelangen wollte, doch nichts war zu hören, es war so, als hätte ich meine Stimme verloren. Es war wie verhext!

Die Schritte kamen näher und näher. Langsam öffnete ich meine Augen und erblickte Fußspuren auf dem staubigen Boden. Ich war nicht in der Lage mich zu bewegen, ich kauerte leblos auf dem Boden. Mein Hals war trocken und meine Knie weich wie Pudding. Ich sah mich um, von links nach rechts und wieder zurück, doch niemand war zu sehen.

Langsam stand ich auf, immer noch zitterte ich am ganzen Leib und als ich dann diese Stimme in meinem Gehör vernahm, ließ es mich mein Blut in den Adern gefrieren.

Ihr kommt hier nicht mehr lebend heraus.“ Ein schallendes Lachen erfüllte den Raum. Urplötzlich schossen mir Tränen in die Augen, soviel Angst hatte ich wahrscheinlich in meinem ganzen Leben noch nicht empfunden.

Richie?!“ Eine kalte Hand legte sich auf meine Schulter, die mich merklich zusammenzucken ließ, sodass ich etwas in die Knie ging, doch als ich mich allmählich wieder gefangen hatte, drehte ich mich wie in Zeitlupe um und erblickte Roxy vor mir.

Erschreck mich nie wieder“, motzte ich und sah sie zornfunkelnd an.

Sorry, aber wir haben uns Sorgen gemacht.“

Ihr? Wohl eher die anderen.“ Immer noch war ich ziemlich angepisst von ihr, sie tat so freundlich und war doch eine kleine Bitch, die nur mit Gefühlen anderer spielte, zumindest empfand ich dies so.

Ihr besorgter Blick, den ich nur als gespielt betrachtete, wandelte sich nach meiner Aussage in einen wütenden Ausdruck um. “Das stimmt nicht!“ Ihre Stimme wurde mit einem Mal lauter und ich vergaß für einen kurzen Moment, was sich vor gut zehn Minuten noch in diesem Raum abgespielt und zugetragen hatte. “Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht und ich gebe auch zu, dass es ein Fehler war schlusszumachen, denn ich liebe dich über alles.“ Der Klang ihrer Stimme wurde keineswegs ruhiger, so hatte ich sie noch nie erlebt.

Ein kurzer Luftzug streifte meine Wange und die große Eichentür fiel ins Schloss, dann herrschte vorerst Stille.

Es war dunkel in diesem Raum. Der Staub rieselte von der Decke. Roxy und ich standen uns einfach nur gegenüber und schwiegen uns an, bis eine Stimme das Zimmer mit seiner vollen Größe erfüllte. “365 Days!“, sagte sie. Ein Lachen ertönte und verklang wieder. Es jagte mir eine unerträgliche Gänsehaut meine Wirbelsäule hinab. Was meinte sie nur mit “365 Days“?

Ich spürte, wie ich am ganzen Leib vor Furcht erzitterte, ich hielt es hier nicht länger aus. Ich musste heraus, mir wurde das alles eindeutig zu viel.

Nicht gerade sanft schubste ich Roxy beiseite und versuchte mit ganzer Kraft die Tür aufzubekommen, doch ich hätte mir gleich denken können, dass das nichts bringen würde.

Fuck!“, schrie ich und hämmerte noch einmal mit geballter Faust gegen die Tür, bis ich mich voller Verzweiflung einfach auf den Boden sinken ließ und mir mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn wischte.

Ich will hier heraus“, hörte ich mich verzweifelt sagen und achtete dabei schon gar nicht mehr darauf, dass auch Roxy noch in diesem Raum weilte. Sie setzte sich zu mir und gab einen tiefen Seufzer von sich.

Es tut mir Leid!“, meinte sie in einem Flüsterton, welcher von den Wänden hallte. Ich nickte, war allerdings nicht länger in der Lage noch etwas von mir zu geben.

Erneut ertönte das markerschütternde Lachen und ließ mir einen neuen Schauer über den Rücken laufen. Das wurde mir nun doch etwas zu viel. Ich zitterte am ganzen Leib und schlang meine Arme fest um meine Beine, während ich Roxys besorgten Blick auf mir ruhen spürte.

Meine Augen waren mit einer Leere gefüllt und meine Umgebung nahm ich kaum mehr wahr. Ein kalter Schauer legte sich um mich. Ich schrie auf und kniff meine Augen zusammen. Dieser Schmerz! Dieser furchtbare Schmerz erfüllte mich. In mir fiel etwas zusammen, es war unerträglich. Ich hatte das Gefühl, als würde mein Herz stehengeblieben sein. Alles verkrampfte sich in mir und ich bekam keine Luft. Mein Atem war schwer und ich krümmte mich am Boden zusammen.

Richie?!“ Eine Stimme, weit entfernt von mir, klang in meinen Ohren.

Ihr kommt hier nicht mehr lebend heraus!“ Diese Hexe, sie war es wieder, deren Anwesenheit diesen Raum mit eisiger Kälte erfüllte.

Richie!“ Die Stimme neben mir wurde lauter und panischer. Erneut ließ ich einen Schrei von mir hören. Was geschah hier mit mir? Ich brauchte Luft, in diesem Raum war es nicht auszuhalten. Panik stieg in mir auf, das Blut pochte in meinen Ohren, meine Augen hatte ich weit aufgerissen, sie strahlten kein Leben mehr aus. Und plötzlich war alles still...

 

Show the ones that you love that you care

let them know that you always be there

through the good and the bad everyday, everyday

Don’t wait for Christmas, New Years or Birthdays

because everyday is a perfect day

just to say how you feel if it’s real

choose somebody you care everyday

coz...

Richie?! Kannst du mich hören?“ Langsam schlug ich mein Augen auf, mein Rücken tat weh und ich konnte nicht sagen, wo ich mich soeben befand. Alles um mich herum war weiß. War ich etwa tot?

Doch als ich Roxy erblickte, war mir klar, dass dem nicht so war. “Was ist passiert?“, krächzte ich und versuchte mich etwas aufzurichten, was ich im nächsten Augenblick allerdings sofort wieder bereute. Mein Rücken gab ein lautes Knack von sich und ein unerträglicher Schmerz durchzuckte soeben meinen gesamten Körper.

Bleib liegen!“, riet mir Roxy und ich wusste, dass dies wohl vorerst das Beste sein würde, wenn ich nicht als vollkommener Krüppel hier herauskommen wollte.

Es war kein Traum“, begann sie und eine Träne rannte ihr die Wange hinab, dann erzählte sie mir alles genau. “Du hast plötzlich angefangen zu schreien, ich hatte Panik bekommen, weil ich nicht wusste, was nun los ist. Es war unheimlich und dann hörte ich die Stimmen der Jungs. Sie haben die Tür aufgetreten und uns herausgeholt, allerdings hast du kein Lebenszeichen mehr von dir gegeben. Jay hatte dich auf den Rücken genommen und so schnell es ging, rannten wir hinaus ins Freie. Als ich mich noch einmal umgedreht hatte, war das Haus spurlos verschwunden.“ Sie hielt kurz inne und ich hörte, wie sie schwer schluckte, bis sie daraufhin dann weitersprach und mich derweil mit einem ängstlichen Blick musterte. “Es war so unheimlich“, schloss sie und weitere nasse Tränen bildeten sich in ihren Augenwinkeln.

In dem Moment konnte ich wirklich davon sprechen, dass sie mir Leid tat und dementsprechend sah ich sie auch an.

Es tut mir alles so Leid!, schluchzte sie und strich mir mit ihrem Daumen sanft über meine erhitzte Wange. Ich nickte und zum ersten Mal erkannte ich an ihrem Gesichtsausdruck und ihrer Art, wie sie sich mir gegenüber verhielt, dass sie die Wahrheit sprach und wir einfach füreinander bestimmt waren.

Ein kleines, freundliches, allerdings auch etwas zögerliches, Lächeln huschte über meine Lippen, wobei mein gesamter Körper urplötzlich in ein neues Licht gehüllt wurde. Ich fühlte mich befreiter und hatte ein Gefühl im Magen, welches man mit einfachen Worten nun einmal nicht erklären konnte.

Ich liebe dich“, flüsterte ich und wunderte mich selber darüber, wie leicht ich die Worte, nach allem was passiert war, herausbrachte.

Ein verwirrter Blick ihrerseits war zu vernehmen, was mich doch zum schmunzeln brachte. “Du hast mich schon richtig verstanden“, wollte ich ihr die Verwirrung nehmen, doch anscheinend glaubte sie mir immer noch nicht.

Wie gern hätte ich mich nun zu ihr gebeugt, um endlich wieder, nach langer Zeit, ihre weichen Lippen auf den meinigen zu spüren, aber andererseits war ich mir auch unsicher, ob es in dem Moment tatsächlich das Richtige war, vor allem, da wir uns nun in einem Krankenhaus befanden.

Mein Kopf brummte fürchterlich und ich hatte das Gefühl, als würde dieser jeden Augenblick in seine Einzelteile zerfallen.

Ich sah hinauf zur weißgestrichenen Decke in das grelle Licht, welches uns umhüllte. Wie ich Krankenhäuser hasste! Aber noch mehr hasste ich die Tatsache, dass mir jeder Knochen einzeln wehtat.

Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen wieder aufschlug, war Roxy nicht mehr anwesend. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Hier sah es so kalt und leer aus. Die Maschine, an die ich angeschlossen war, piepte und dieses Geräusch schien kein Ende zu nehmen.

Doch nur wenige Stunden später war es aus mit der endlosen Langeweile. Was für ein Glück, dachte ich, als ich meine Bandkollegen, inklusive Roxy und Naomi. “Hey Kleiner! Wie geht’s dir?“, begrüßten sie mich freudig, wobei Mikel mir nicht gerade sanft auf die Schulter klopfte. Ein leichtes Nicken kam von meiner Seite und ich bekam sogar schon wieder ein kleines Lächeln über meine Lippen.


//Interlude Izzy//


Unser Kleiner konnte es schon etwas Leid tun. Immer musste es ihn erwischen, als würde ein Fluch auf ihm liegen.

Einen kurzen Blick warf ich auf meine Uhr. Ich war noch verabredet und für mich wurde es langsam Zeit mich auf den Weg zu machen, also verabschiedete ich mich kurzerhand von allen und war bereits aus der Tür verschwunden, wobei ich Richie noch fragen hörte, wohin ich denn so schnell wollte, aber die Antwort gab ihm Jay.

Ich lief den langen Gang entlang, der nur weiß gestrichen war und an deren Wänden einige Bilder von abstrakter Kunst und Fotomalerei zu sehen waren.

Ich musste mich beeilen, um noch pünktlich an unserem Treffpunkt anzukommen. Gestern hatte ich sie erst kennengelernt und ich musste sagen, sie traf all diese Punkte, die eine Frau brauchte, um mein Herz zu gewinnen. Sie war bildhübsch, hatte humor und ein umwerfendes Lächeln.

Der Ku'damm war nicht allzu belebt an diesem Abend, allerdings erstrahlte dieser wie jeden Tag. Langsam schlossen die Läden, die Straßen waren mit Autos überfüllt.

Ich hielt vor H&M, um dort auf meine Verabredung zu warten, dabei betrachtete ich mich noch ein letztes Mal im Spiegel, um zu prüfen, ob alles an mir auch an der richtigen Stelle stand.

Perfekt, dachte ich und grinste mein Spiegelbild an, als ich noch eine weitere Person in diesem Fenster erblickte. Reflexartig riss ich meine Augen weit auf und ich wusste nicht, ob ich glauben sollte, was ich soeben vor mir sah.

Blitzartig drehte ich mich um, doch die Person war verschwunden. Hörbar schluckte ich. Das konnte doch nicht wirklich sein, oder etwa doch?


//Interlude End//


Noch am selben Abend konnte ich wieder die WG beziehen, da der Arzt es für unnötig empfunden hatte mich noch länger im Krankenhaus zu behalten, solange ich mich schonen würde und das hatte ich ihm hoch und heilig versprochen. Die Hauptsache war einfach, dass ich endlich hier herauskommen konnte.

Gechillt lag ich auf dem Sofa und sah Mikel und Jay beim zocken an der Playstation zu. Ich fand es immer total witzig, wie sie sich aufregten, wenn einer von ihnen verlor.

Kann ich dir noch was bringen, Baby?“, hörte ich Roxy fragen, während sie sich neben mich auf das Sofa niederließ und mir über meine Wange strich. Ich lächelte schwach und bat sie, mir einen Tee zu kochen.

Immer noch fühlte ich mich nicht in der Lage etwas zu machen, geschweige denn aufzustehen. Irgendwie war ich im Moment zu nichts mehr zu gebrauchen und ich konnte noch nicht einmal genau sagen, woran es lag.

Roxy stand auf und verschwand in der Küche, während Naomi Roxys Stellung einnahm und sich ebenfalls zu mir auf das Sofa fallenließ. Mit einem verführerischen Blick, den sie so gut wie immer aufgesetzt hatte, wenn sie in meiner Nähe war, Kurz erwiderte ich dieses auch, sah dann jedoch wieder zum Bildschirm und meine Gedanken schweiften allerdings wieder zu Roxy. Es waren 365 Days vergangen, ein ganzes Jahr, welches wir uns schon kannten und zwar gab es einige Zeiten, an die ich mich nicht gerne erinnerte, aber dennoch waren die restlichen Minuten, Sekunden und Stunden mit ihr einfach unbeschreiblich gewesen und von diesen bereute ich keine einzige.

Ey, ich hab schon wieder verloren“, hörte ich Mikels motzende Stimme in meinen Ohren ertönen, was mir ein leichtes Grinsen entlockte. “Na warte!“ Ich verdrehte meine Augen und musste wirklich zugeben, dass ich in einer Chaos-WG lebte.

Kurz nachdem ich meinen Tee von Roxy bekommen hatte und ihn vorsichtig trank, da dieser doch noch etwas heiß war, bemerkte ich, wie der Schlüssel in der Haustür gedreht wurde und ein völlig durchnässter Izzy die Wohnung betrat. Irgendwie schien er nicht ganz da zu sein, auch als die anderen ihre Blicke auf ihn richteten, ließ er sich einfach auf das Sofa fallen und starrte geradeaus, ohne uns auch nur eines Blickes zu würdigen.

Mikel fuchtelte wild vor Izzys Augen herum, ohne Erfolg. Nicht einmal ein Blinzeln kam von ihm.

Verwirrt warf ich einen kurzen Blick in die Runde, bis sich Izzy langsam wieder gefasst hatte, allerdings ließ er seine Augen nicht von dem Punkt, den er soeben fixiert hatte. “Chris lebt...“

 

Everyday (everyday)

everyday (everyday)

is a blesson to be (to be, to be)

all night

everyday yeah yeah

(stay together forever)

why we (together) why we together

all the love that you can

everyday

 
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