I want you back, Girl I need a second chance
I want you back, gotta make you understand
I want you back, somehow I can’t let you go
I want you back, if there is a way, I want you back
“Und unser Kind werde ich alleine großziehen!“ Dieser Satz klang bereits den gesamten Tag in meinem Gehör wider. Was hatte sie nur damit gemeint?
Still schweigend lag ich auf meinem Bett, hatte die Arme hinter meinem Kopf verschränkt und starrte gedankenverloren an die Decke, dabei rannte mir eine Träne die Wange hinunter. Es konnte nicht aus sein zwischen uns! Gerade war ich wieder glücklich geworden und hatte mein Leben wiedergefunden, dann musste irgendjemand dahergelaufen kommen und es wieder kaputtmachen.
Aber ich war mir auch bewusst, dass ich Roxy mit Sicherheit nicht wiedergewinnen würde, wenn ich einfach reglos auf meinem Bett herumliegen und nichts tun würde.
Gerade als ich aufsprang und die Tür öffnete, stand Jay in einer Position vor mir, die mir andeutete, dass er soeben anklopfen wollte. “Hast du geweint?“, war seine erste Frage an mich als er mich erblickte. Heftig schüttelte ich den Kopf, da ich nie gerne zugab, dass ich geweint hatte, wenn es mir einmal nicht gut ging. “Und ob du geweint hast!“, meinte Jay und klang dabei ziemlich selbstsicher, woraufhin er mich zurück in unser Zimmer schubste und die Tür hinter sich schloss. Na super! Jetzt musste ich wohl oder übel auch noch mit ihm über meine Probleme reden. Also, man sollte mich in dem Punkt nicht falsch verstehen, ich kam mit meinen Sorgen so gut wie immer zu Jay, da er für mich wirklich schon wie ein großer Bruder war, aber es gab nun einmal auch Zeiten an denen ich lieber alleine damit klarkommen wollte, doch so wie ich Jay kannte, würde er solange nicht nachgeben, bis ich ihm jedes Detail haarklein erzählt hatte, also setzte ich mich auf mein Bett und begann meine Geschichte.
Nach jedem Satz schüttelte Jay verständislos den Kopf, nun ja, ich hatte ihm auch bislang verschwiegen, dass ich mit Chris zusammengewesen war und mich daher sein Tot wohl am meisten getroffen hatte.
“Und was hast du jetzt vor?“, wollte Jay wissen, als ich ihm alles geschildert hatte, doch ich zuckte nur ahnungslos mit den Schultern. Nun ja, genau das war es, worüber ich mir derweil noch keine Gedanken gemacht hatte. Hätte Jay mich nicht aufgehalten, wäre ich einfach so rausgerannt ohne genau zu wissen, was ich anstellen und wie ich sie zurückgewinnen wollte. Roxy war die Liebe meines Lebens und nun war der Traum von einer gemeinsamen Zukunft wie eine Blase im Wind zerplatzt. Warum hatte sie denn nur schluss gemacht? Ich konnte ihr nicht glauben, dass es einfach daran lag, dass ich ihr nicht erzählt hatte, dass ich auf beide Geschlechter stand und das entsprach noch nicht einmal genau der Wahrheit. Schließlich hatte ich bislang nur etwas mit Chris und daran sollte sich mit Sicherheit so schnell auch nichts ändern. Seufzend ließ ich mich auf meinen Rücken fallen und starrte an die Decke, neue Tränen bahnten sich ihren Weg ins Freie, dabei spürte ich die ruhende Hand von Jay, die sich auf meiner Schulter niederließ. “Ich hätte da einen Vorschlag...“, fing er an, als er bemerkt hatte, dass ich ihm keine Antwort gab und somit wohl auch keine Idee hatte, doch er sprach so leise, als würde er annehmen, die Wände hätten Ohren bekommen.
Fragend sah ich ihn an und sagte jedoch kein Wort, da ich zuerst hören wollte, was er mir zu sagen hatte, genau das tat er dann auch Sekunden später. Aufmerksam lauschte ich seinen Worten und nickte hin und wieder einmal. Nun, ich musste wirklich zugeben, dass das, was er mir erzählte, wirklich nicht dumm klang. Das könnte sogar hinhauen und ja, ich würde es nun auch durchziehen, denn wenn das nicht klappen sollte, dann konnte ich Roxy wohl für immer vergessen, aber das wollte ich nicht. Ich wollte um sie kämpfen und wenn es das Letzte sein würde, was ich tat!
Jay zog mich auf die Beine, lächelte mir aufmunternd zu, steckte dann einige Sachen in meinen Rücksack und drückte mir diesen nach einiger Zeit in die Hand, dann nickte er und schubste mich leicht zur Tür, um mir deutlich zu machen, dass ich mich endlich auf den Weg machen sollte, er würde Roxy bescheid geben.
Gesagt getan und nur wenige Minuten später stand ich an einem verlassenen Ort im Park und bereitete alles vor. Daran hatte ich schon vor unserer Trennung gedacht und würde dies nun in die Tat umsetzen, um meine große Liebe wieder zurückzugewinnen, hoffentlich würde sie nicht abblocken. Das war meine größte Sorge, aber wie sagte man so schön? Immer positiv denken!
Ich setzte mich auf das feuchte Gras und konnte nur noch warten, bis sie kam, als ich alles vorbereitet hatte. Vielleicht hatte Jay sie ja auch nicht erreicht oder er hatte ihr bereits gesagt, was ich vorhatte und wollte deswegen nicht kommen?
Doch meine Sorgen wurden mir genommen, als ich das Knacken eines Astes, welches durch Fußsohlen verursacht wurde, vernahm. Ich stand auf und drehte mich um, dann sah ich zu der Stelle, an der sich ein Schatten bewegte und eine Gestalt, die immer näher kam, die ich allerdings noch nicht völlig erkennen konnte, bis auf ihre Umrisse.
Als sie direkt vor mir stand, erkannte ich, dass es Roxy war. Mit einem leeren Blick sah sie mich an und lächelte nicht wie sonst immer als wir uns sahen. Sie verschränkte ihre Arme vor dem Körper und wippte mit ihrem Fuß auf und ab, als wollte sie mir sagen: Mach schnell, dann kann ich wieder gehen!
Nun, wo ich sie so sah, bekam ich doch etwas muffensausen und wollte am liebsten in den See springen, denn mir kam es hier irrsinnig warm vor, obwohl es sicherlich Temperaturen im null Grad Bereich waren.
Eine ganze Weile sahen wir uns einfach stumm an, als ich dann endlich zu Seite trat und nun ein mit Teelichtern beleuchtetes Herz aufdeckte. In diesem Herzen waren viele Rosenblätter verstreut und ich ließ Stoßgebete in den Himmel los, weil ich mir nichts mehr wünschte, als dass Roxy mir wieder verzeihen würde.
Es ließ sie allerdings kalt, denn ich erkannte auf ihrem Gesicht keine Regung von einem Lächeln, nun ja, vielleicht täuschte das Licht des Vollmondes auch meine blauen Augen. Wir standen dicht an dicht voreinander und bislang hatte keiner von uns auch nur ein Wort verloren, bis ich die stille Mauer zwischen uns endlich unterbrach, indem ich hektisch in meiner Hosentasche kramte und dann etwas herauszog, bevor ich anfing zu sprechen.
Meine Hände waren von Schweiß getränkt und war froh, wenn diese unangenehme Situation vorbei war, denn auch wenn ich mein Vorliegen noch nicht preisgegeben hatte, fühlte ich mich auf eine Art peinlich berührt. Vielleicht wäre es wirklich besser gewesen, wenn ich mich auf ein Gespräch vorbereitet hätte, denn ich hatte keinen Plan wo ich beginnen sollte, aber dann fing ich einfach an, nachdem ich noch einmal tief durchgeatmet hatte.
“Roxy, ich kann mir gut denken, was du jetzt von mir hältst. Ich...“ Doch bereits beim Ansatz des zweiten Satzes unterbrach sie mich mit einem Kopfschütteln. “Richie, hör auf!“, begann sie und sah mir fest in die Augen, wobei sie nicht sonderlich so aussah, als würde sie sich bald davon lösen wollen. “Du hast mich doch von vornherein belogen und ich will wirklich nicht wissen, was du mir noch alles verschwiegen.“ Kleine Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln und auch mir ging es nicht anders. Tatsächlich musste ich zugeben, dass ich ihr von Chris und mir nichts erzählt hatte, aber was spielte es für eine große Rolle? War es wirklich so wichtig, dass ich ihr davon etwas sagen sollte? Ich meine, nun gut, Vertrauen und Offenheit war wichtig, aber musste man denn gleich jedes kleinste Detail aus seinem Leben erzählen? Wohl eher nicht!
Jedoch ließ ich mich von ihren Worten keineswegs beirren, sondern sprach weiter, als hätte sie soeben keinen Ton von sich gegeben. Der kühle Wind verwehte mir meine mit schwarzen Strähnen gestylten Haare und das Wasser schlug leichte Wellen, die am Ufer verschwanden.
“Ich weiß, dass ich dich damit wohl ziemlich verletzt habe, denn mir ist bewusst, dass Vertrauen in einer Beziehung zu den wichtigsten Dingen gehört“, sprach ich und atmete in einer kurzen Pause tief durch. Zitternd hielt ich ihr die kleine Schachtel hin und schluckte hörbar, irgendwie war mir die ganze Situation tatsächlich ziemlich unangenehm, schließlich tat man so etwas nicht alle Tage und ich bezweifelte doch stark, ob die Frage, die mir auf der Zunge brannte, über meine Lippen laufen wollte.
Langsam öffnete ich den Deckel und ein kleiner Ring erstrahlte in voller Pracht vor ihr, wie sonst ihre Augen, die heute allerdings jeden Glanz verloren hatten. Ich schluckte vernehmlich und wurde von Mal zu Mal nervöser. Warum hatte mich Jay bloß zu dieser unsinnlichen Aktion überredet? Schließlich war ich mir bereits bevor ich hier vor ihr stand bewusst, dass es nichts bringen würde und das sah ich nur an ihrem Gesichtsausdruck, dennoch zog ich es jetzt durch, auch wenn ich dabei wohl die Liebe meines Lebens aufs Spiel setzte, aber wenn ich sie verlieren sollte, dann hätte mein Leben für mich auch keinen weiteren Sinn mehr, schließlich hatte ich nur wegen Roxy mein Leben bislang nicht aufgegeben und neuen Mut gesammelt, in der Hoffnung, es würde sich eines Tages alles wieder zum Guten wenden. Pustekuchen! Nichts dergleichen war geschehen und auch wenn ich geglaubt hatte, dass es nicht schlimmer kommen konnte, so war es doch schlimmer gekommen.
Immer noch blickte ich ihr tief in die Augen und wollte in den ihrigen schon beinah versinken, wenn mich nicht eine kühle Brise aus meinen Gedanken gerissen und in die Realität zurück befördert hätte. Jetzt oder nie! Weiterhin hielt ich den Ring zitternd in meiner Hand und bemerkte, wie Roxy von mir zu dem Ring und zurück blickte. “Ich weiß, dass es womöglich aus zwischen uns ist, aber ich bitte dich hier und jetzt um eine weitere Chance...“ Ich ging auf die Knie und sah zu ihr nach oben. “Bitte heirate mich!“ Tränen stiegen mir in die Augen und wollten in die Freiheit entlassen werden, doch mit aller Kraft versuchte ich diese zu unterdrücken, denn ich hatte wirklich keine Lust nun auch noch zu weinen, wobei ich mich bereits genug zum Affen gemacht hatte.
Eine ganze Weile sagte niemand von uns ein Wort und ich wartete nur darauf, dass Roxy mir endlich eine Antwort auf meine Frage gab, die dazu noch positiv ausfiel, aber anscheinend konnte ich darauf noch lange warten.
Ich bemerkte, wie ein kleines Eichhörnchen über das Gras zum nächstgelegenen Baum hüpfte. Wenn es sein müsste, würde ich noch die ganze Nacht über auf eine Antwort von ihr warten, aber so lange musste ich dann doch nicht warten, nur gute fünf Minuten.
Mit einem traurigen Blick sah sie mich an und, entweder hatte ich mir das soeben bloß eingebildet oder sie hatte es tatsächlich getan, doch als ich diesen erwiderte, fiel mir auf, dass sie leicht den Kopf schüttelte. Ich war kurz davor zusammenzubrechen, da ich mir bereits ganz genau denken konnte, was sie mir damit sagen wollte, obwohl sie nicht einmal Anstalten machte ihren Mund zu öffnen.
Ich wusste nicht genau, wie lange es noch dauerte, bis ich mich rührte und wieder aufstand, doch als ich an ihr vorbeilief, spürte ich, wie mich ihre Hand streifte und am Arm zu fassen bekam. Ich traute mich nicht, mich zu ihr umzudrehen, sondern hörte ich einfach aufmerksam und wollte danach sofort meinen Weg fortsetzen, denn mir war an diesem Abend klargeworden, dass ich sie womöglich für immer verloren hatte, auch wenn es sich nur um eine Kleinigkeit handelte, was für Roxy allerdings keineswegs eine Kleinigkeit war.
Ich hatte tatsächlich immer gedacht, dass sie mich so nehmen würde, wie ich nun einmal war, aber anscheinend war dem nicht so, denn so wie es für mich nun aussah, hatte Roxy etwas gegen Schwule, obwohl ich noch nicht einmal Schwul war geschweige denn Bisexuell.
Sie ließ mich auch weiterhin nicht los und ich spürte ihren durchdringenden Blick auf meinem Rücken ruhen. “Richie, es tut mir wirklich leid, aber ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein“, meinte sie, ließ mich allerdings immer noch nicht los und wartete wohl darauf, dass ich etwas darauf erwiderte, aber ich wollte weder etwas sagen noch etwas hören, aber ich wollte den Grund wissen. Ich wollte wissen, was ich ihr getan hatte, dass sie so etwas aussprach, daher durchbohrte ich beinah meinen Blick in ihren Augen und sah recht gereizt aus.
“Sag mir, wieso! Wieso kannst oder willst du nicht mehr mit mir zusammen sein? Was habe ich dir eigentlich getan? Weißt du, ich...“ Doch sie unterbrach mich mitten im Satz. Sie atmete tief durch und ich sah ihr an, dass es ihr deutlich schwerfiel, darüber zu sprechen, als ich mir gedacht hatte. Was war nur los mit ihr? Natürlich wollte ich sie nicht drängen, etwas zu sagen, was sie wahrscheinlich bereuen würde, dennoch, so dachte ich, war sie mir eine vernünftige Erklärung schuldig und die wollte sie mir auch geben.
“Es hat nicht direkt mit dir zu tun...“, begann sie und legte ihre Hand auf ihren Bauch, dann schien sie in Erinnerungen zu schwelgen, wie ich an ihrem verträumten Blick bemerkte. “Es ist nur: Als ich von diesem Mädchen, wer auch immer das war, gehört hatte, dass du etwas mit Chris angefangen hattest, kamen neue Dinge aus meinem Leben zum Vorschein, die ich bislang versucht hatte so gut es ging zu verdrängen. Mein Dad hatte meine Mom verlassen, als ich gerade einmal sechs Jahre alt war und wieso?“ Ich wollte antworten, doch sie hob ihre rechte Hand, um mir zu bedeuten, ich solle bloß still sein. “Ganz einfach! Weil mein Dad sich in irgendeinen Typen aus seinem Büro verliebt hatte. Das ist auch der Grund, warum ich etwas gegen Homosexuelle habe“, beendete sie ihre Geschichte und wandte sich dabei kein einziges Mal von mir ab. Mit aufgerissenen Augen sah ich sie an. Das konnte doch nicht tatsächlich ihr ernst sein?! Schließlich konnte sie das doch nicht auf alle beziehen, außerdem war ich keineswegs homosexuell, auch wenn ich etwas mit meinem besten Freund angefangen hatte.
Ich seufzte und warf meinen Blick auf den Boden. “Es tut mir Leid“, meinte ich fast flüsternd und lief an ihr vorbei. Dieses Mal machte sie auch keine Anstalten, mich irgendwie aufzuhalten. Den Ring hatte ich aus Reflex auf das weiche Gras geworfen. Mir wurde das einfach alles zu viel und ich wollte nur noch nach Hause und in Ruhe gelassen werden.
Girl I can’t forget
If only you’d come back in my Life
You’re all that I ever needed Girl
Aber zurück in die WG ging ich nicht, sondern in meine Stammbar, das “6Vorne“, deren Barkeeper ich durch Jay kennengelernt hatte.
So setzte ich mich also an die Bar und bestellte mir einen Caipirinha, wobei mich Alen, einer der Barkeeper, verdutzt musterte, dabei wischte er ein Glas trocken. “Was ist denn mit dir passiert?“ Du siehst aus wie ein begossener Pudel“, bemerkte er und ließ den Blick durch die Bar schweifen, während ich nur betrübt den Eiswürfeln in meinem Cocktail beim schwimmen zusah.
“Hallo? Erde an Mr Obercool! Was geht denn mit dir ab? Hörst du mir überhaupt zu?“ Und erst jetzt blickte ich zum ersten Mal an diesem Abend Alen direkt in die Augen, wobei meine Gedanken jedoch auch weiterhin an Roxy hingen.
Auf ex trank ich das alkoholische Getränk aus und bestellte mir gleich darauf einen Neuen, während Alen eine Augenbraue hob und ziemlich neugierig geworden zu sein schien, da er mich von nun an mit lauter Fragen durchlöcherte, denn er kannte mich bereits so gut, dass er genau wusste, dass ich mich nicht grundlos besaufen würde und damit hatte er schließlich auch nicht Unrecht, so blieb mir anscheinend nichts anderes übrig als ihm die ganze Geschichte zu erzählen, doch danach würde ich mich mit Sicherheit ein Stück besser fühlen als soeben in diesem Moment.
Als ich geendet hatte, fiel mir auf, dass Alen so überrascht davon zu sein schien, dass er beinah sein Glas, welches er schon die ganze Zeit über in seiner Hand gehalten hatte, fallengelassen hätte, doch mit guten Reflex fing er dieses erneut auf und starrte mich weiterhin fragend und mit offenem Mund an. “Mund zu, sonst kommen Fliegen rein!“, versuchte ich die ganze Situation etwas zu lockern, da mir diese allmählich als unangenehm erschien.
“Das ist nicht dein ernst?“, hörte ich ihn sagen und es kam mir so vor, als wüsste er weiter nicht, was er darauf hätte erwähnen sollen, doch das war mir nur Recht. Ich konnte einfach nicken und erneut trank ich den Caipirinha auf ex. Wo sollte mein Leben nur hinführen?
Leicht angetrunken, nun ja, vielleicht sogar mehr, stand ich also auf und torkelte in Richtung Ausgang, doch da kam ich irgendwie nicht an. Ich tastete die Wand entlang und suchte nach einer Tür. Vergebens! “Wo ist denn die -hicks- Tür?“, johlte ich und mir waren die genervten Blicke der anderen Gäste bereits egal. Ich schaute mich in den Reihen der Tische um und ließ meinen Blick darüber schweifen. “Was -hicks- glotzt ’n ihr so blöd?“, keifte ich sie an und meine Augen nahmen inzwischen die Farbe rot an. Kurz gesagt: Mir ging es alles andere als gut.
“Richie, ich bring dich nach Hause“, bot Alen mir an und packte mich am Arm, doch seine Hand schlug ich mit leichten Mühen beiseite. “Ich brauch’ deine -hicks- Hilfe nicht!“, schrie ich ihn an und suchte erneut verzweifelt nach einem nicht existierenden Ausgang. Wo ist denn bloß diese blöde Tür, dachte ich und tastete die leere Wand weiterhin entlang.
Aber Alen schien nicht aufgeben zu wollen, was mich doch stark ärgerte, denn ich brauchte keineswegs Hilfe und kam schließlich auch gut alleine klar.
Mit Händen und Füßen wehrte ich mich, ohne jeglichen Erfolg, denn letzten Endes lag ich flach auf dem Rücksitz von Alens Wagen und stöhnte laut auf vor Übelkeit. Die beiden Frontscheiben links und rechts von mir waren heruntergedreht und nun wehte mir die kühle Nachtluft in mein erhitztes und von Schweiß getränktes Gesicht. Dabei hatte ich noch nicht einmal sonderlich viel getrunken, was waren denn schließlich auch schon vier Cocktails? Nichts!
Als ich am nächsten Morgen in meinem weichen Bett aufwachte, konnte ich mich an rein gar nichts erinnern. Mein Schädel brummte und lief Gefahr jeden Moment zu explodieren, ich hatte einen gewaltigen Kater, der sich in all meinen Gliedern bemerkbar machte. Was war das nur für eine grausame Welt? Nun ja, eigentlich war ich doch auch selber schuld, schließlich hätte ich auch gestern nicht so viel trinken müssen, aber ich musste meinen Frust nun einmal irgendwie los werden und jetzt hatte ich den Salat: Höllische Kopfschmerzen!
Wie ein Häufchen Elend wälzte ich mich in meinem Bett hin und her, als urplötzlich die Zimmertür aufschwang und Jay fröhlich pfeifend, mit neuem Elan, hineinspaziert kam und ohne Vorwarnung mir die Decke vom Körper riss, wobei ich mich zitternd wie eine Katze zusammenrollte.
“Verdammt, was soll der Scheiß?“, keifte ich ihn an und versuchte mit aller Kraft mir die Decke wieder zu erkämpfen, erfolglos! “Wer lange Party machen kann, der kann auch früh aufstehen!“, erwiderte daraufhin Jay und schmiss mir meine Jeans entgegen. Nun musste ich mich wohl doch dazu erbarmen aus meinem Bett zu kriechen und mich zu den anderen an den Frühstückstisch gesellen.
Gesagt getan, doch dennoch sah ich aus wie eine Leiche. Mein Schlafzimmerblick war nicht zu übersehen und ich litt eindeutig an Appetitlosigkeit, mir war einfach nur nach übergeben zumute. Das Surren des Kühlschranks dröhnte in meinem Kopf und es war kaum zum aushalten. Kalter Regen prasselte gegen die Fensterscheibe, die bereits beschlagen war, dazu kam noch das ohrenbetäubende Gewitter, welches mit jedem Donnerschlag lauter wurde.
Geistesabwesend fuhr ich mir durch mein zerstrubbeltes Haar und ließ meinen Kopf auf die Tischplatte sinken. “Was ist denn mit dir los?“, hörte ich Chris fragen, der soeben ein Stück von seinem mit Marmeladen beschmierten Brötchen abbiss. Ich sah zu ihm und stöhnte. Man, mir ging es wirklich ziemlich beschissen in gut deutsch gesagt.
“Er hat gestern zu viel Party gemacht. Alen hat ihn mitten in der Nacht angeschleppt“, grinste er und goss sich Kaffee in seine Tasse. Ich fand das alles andere als komisch.
“Sehr witzig!“, wollte ich mich nun verteidigen, klang dabei doch recht kränklich, also richtete ich mich auf und stützte den Kopf in meine Hände. Ich hatte die Schnauze gestrichen voll, mir wurde das alles zu viel, aber an davonlaufen war keineswegs zu denken.
Das Klingeln des Telefons ließ mich aus meinen Gedanken schrecken, wobei ich gleich darauf wieder in meinen Stuhl zusammensackte. “Ich geh schon“, rief Mikel, sprang auf und lief mit schnellen Schritten in den Flur, woraufhin er nur wenige Sekunden später mit dem Telefon in der Hand zurück in die Küche getänzelt kam. “Für dich“, meinte er zu Jay und hielt ihm das Gerät vor die Nase, wobei sein breites Grinsen nicht zu übersehen war.
Ich wiederum hielt das alles tatsächlich nicht länger aus, ich würde jetzt zurück in mein Bett kriechen und mich den ganzen Tag nicht vom Fleck bewegen.
Pustekuchen! Dazu kam es nicht, denn sofort nach dem Frühstück und dem endlos langem Gespräch von Jay und seiner Unbekannten, dessen Namen wir nicht erfuhren, auch wenn Izzy und Mikel ihn mit hundert Fragen löcherten, mussten wir auch schon weiter, denn heute stand für uns ein Auftritt auf der Berlin YOU-Messe auf dem Plan und ich war mit Sicherheit demotiviert, was natürlich nicht zu übersehen war.
Scheiß Alkohol, dachte ich mir, als wir uns in den schwarzen Van gequetscht hatten, wo Mike, unser Produzent, bereits am Steuer aufgeregt auf uns wartete. “Na endlich! Ich dachte schon, ihr hättet da oben Wurzeln geschlagen!“, sagte er mit einer kräftigen Stimme und schaltete den Motor an, nachdem wir alle gut verstaut im Van saßen.
“Sorry, wir hatten noch kleinere Auseinandersetzungen“, entschuldigte sich Jay und sah verträumt aus dem Fenster.
“Auseinandersetzungen nennst du das? Das sah mir eher aus, als würdest du uns etwas verheimlichen im Bezug auf dein stundenlanges Telefonat“, erwiderte daraufhin Mikel und klang irgendwie beleidigt, da Jay keinem von uns anvertrauen wollte, was es mit dieser unbekannten Frauenstimme, wie sich herausstellte, auf sich hatte. Wütend sah Jay zu Mikel. “Ach, halt die Klappe!“ Verdattert blickte ich nun zum Beifahrersitz, indem er saß. Was war denn heute mit ihm nur los? So kannte ich ihn ja gar nicht. Sonst hielt er sich mit solchen Ausdrücken doch auch zurück. Irgendwie lief in letzter Zeit alles kreuz und quer.
Nun ja, mir sollte es nur recht sein, schließlich hatte ich genug eigene Probleme, die ich erst einmal aus der Welt schaffen musste. Mir spukte immer noch die Frage wie ich Roxys Herz zurückerobern konnte durch meinen Kopf und ich war bislang kläglich gescheitert, denn meinen Heiratsantrag wollte sie nicht annehmen und einen Plan B hatte ich bislang noch nicht in der Tasche. Vielleicht sollte es aber auch so sein. Vielleicht wollte man mir wenigstens ein Glück nicht gönnen und damit musste ich mich letztlich zufrieden geben, aber irgendwie war ich andererseits auch glücklich, denn neben mir saßen die besten Freunde die man sich vorstellen konnte, dass hatte ich während der letzten Tage begriffen und ich wollte mein Leben mit keinem jemals tauschen. Auch wenn es manchmal gewisse Tiefs gab, gab es wiederum danach erneute Hochs, die man nicht vergessen sollte.
Die Fahrt dauerte noch so seine Zeit, da wir im Stau standen und allmählich unter Zeitdruck gerieten, denn ein Soundcheck stand noch aus, aber bislang hatten wir jede Schwierigkeit überwunden, vom Anfang bis zum jetzt.
So auch diese! Als wir also endlich am Messe ICC Gelände in Berlin Charlottenburg standen, warteten schon viele Gäste, die eingelassen werden wollten und wir hatten Glück, denn keiner von denen bekam mit, dass wir soeben eingetroffen waren und so konnten wir uns getrost in die Halle schleichen.
Mich faszinierten unsere Auftritte immer sehr, vor allem freute ich mich, wenn ich sah, wie unsere ganzen Fans, darunter die meisten weiblich, die Halle rockten und abgingen.
“Da seid ihr ja endlich!“, wurden wir kurz darauf auch schon von Gülcan begrüßt, die heute wahrscheinlich auf einer der Bühnen die Moderation übernahm. Mike entschuldigte sich kurz und dann ging es für uns backstage, denn wir waren wirklich spät dran, da sich die Halle allmählich mit Besuchern füllte.
Vorsichtig lugte ich etwas hinein und war vorsichtig, um nicht gesehen zu werden, da ich im Moment wenig Lust auf wildes Gekreische hatte. Wie immer zu so einer Zeit bekam ich schreckliches Lampenfieber, obwohl ich solche Auftritte schon ziemlich oft durchgemacht hatte und jedes Mal war etwas Besonderes, doch ich spürte, dass es heute womöglich mein letzter Auftritt sein würde...
Remember back in the days
We were more than just Friends
I never thought it would end
I used to look in your eyes,
And I felt so alive,
How could I be so blind
So weit, so gut! Es lief alles wie am Schnürchen. Das Gebet, welches wir Vier immer vor einem Auftritt durchführten, gab mir Kraft, um alles gut zu überstehen, denn ich war wohl der einzige von uns, der jedes Mal erneute Schweißausbrüche bekam und total krank wirkte, was einzig und allein die Aufregung hervorrief.
“Hey, das packst du schon“, munterten sie mich immer wieder auf und klopften mir beruhigt auf die Schulter. Ja, die konnten leicht reden haben, denn sie hatten nie so viel Pech auf Bühnen durchlebt wie ich. Die konnte ich nicht einmal auf beiden Händen abzählen.
“Und hier sind sie nun...“, begann Gülcan uns anzusagen. “...US 5!!!“ Das war unser Stichwort. Wie angewurzelt stand ich da und wollte partout nicht hinaus, was ich wirklich nicht verstehen konnte, aber ich wurde schon bald aus meiner Starre gerissen, als Chris mich am Arm packte und mit ins Rampenlicht zog. Diese viele Leute, nicht auszuhalten und an Konzentration war ebenfalls nicht zu denken, nicht einmal aufwärmen oder einsingen konnten wir uns.
Aber letzten Endes verlief der Auftritt recht gut. Wir stellten unseren neuen Song “I want you back“ vor, der auf unserem neuen Album zu hören war. Mir kam es so vor, als würde ich diesen Song nur für eine bestimmte Person singen und so war es auch, nämlich für Roxy!
Und wie der Zufall es so wollte, stupste mich Mikel während des Songs und Jays Part an, dann zeigte er mit dem Finger ins Publikum, doch genau verstehen konnte ich nicht, was er mir versuchte zu sagen, aber als er “Roxy“ flüsterte sah ich erst dann genauer hin und erkannte sie tatsächlich in der dritten Reihe. Sie war so still und schien mit ihren Gedanken vollkommen woanders zu sein. Sie hatte sich so verändert in den letzten Tagen, als ich sie zum letzten Mal gesehen hatte. Sie war nicht mehr die fröhliche Persönlichkeit und ich spürte auch keinerlei positive Ausstrahlung mehr an ihr. Sie war blass und dünn geworden. Obwohl sie schwanger war, bemerkte ich, dass sie drastisch abgenommen hatte, was mir Sorgenfalten auf mein Gesicht zauberten. Eine blonde, fettige Haarsträhne fiel ihr über die Stirn und hätte Mikel mich nicht auf sie aufmerksam gemacht, dann hätte ich sie wohl kaum erkannt. Am liebsten wäre ich nun zu ihr nach unten gegangen und hätte mit ihr noch einmal über alles gesprochen, aber in meinem tiefsten Inneren war ich mir bewusst, dass ich ihr wahrscheinlich nie wieder so nah sein würde, wie zu unseren guten Zeiten.
Allerdings nach dem Auftritt erwartete mich noch eine kleine Überraschung, die Mikel für mich organisiert hatte, von der ich natürlich nichts wusste, denn wie denn auch? Schließlich sollte es ja auch eine Überraschung sein.
So klopfte er also an die Tür meiner Kabine und trat herein, dicht gefolgt von einem Mädchen, welches ich nur unschwer als Roxy identifizieren konnte. Verwundert blickte ich von einem zum anderen und konnte ihre Gesichtszüge irgendwie nicht deuten. “Ich lass euch allein“, meinte Mikel und seine Stimme glich etwas dem eines undeutlichen Flüsterns, dennoch hatte ich ihn verstanden, wobei er bereits im nächsten Moment die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte und nun Stille den Raum erfüllte. Na super, dachte ich mir. Was sollte das denn jetzt? Ich dachte, Roxy wäre fertig mit mir, obwohl ich immer noch nicht ganz verstehen konnte, warum sie sauer auf mich war, schließlich war das mit Chris bereits Vergangenheit und ich würde kein Stück davon wieder aufleben lassen, denn inzwischen hatte ich es in eine tiefe Schublade vergraben, zu der nur ich den Schlüssel hatte.
A propos Chris. Mir war aufgefallen, dass niemand sich gewundert hatte, wo er abgeblieben war. Ob unser Chef Lou Pearlman wohl ausgepackt hatte? Schließlich hatten unsere Fans ein Recht darauf zu erfahren, was mit ihm geschehen ist und ich konnte mir gut vorstellen, dass sie schon längst bescheid wussten, doch das Problem bestand darin, einen Ersatz für ihn zu finden, was sicherlich nicht leicht werden würde, denn ihn konnte man keineswegs ersetzen, das war uns allen bewusst, aber zu viert würde es auch keinen Sinn machen weiterzumachen.
Wie auch immer. Weiterhin saß ich auf der langen Bank und starrte Löcher in die Luft. Die Erinnerung an Chris und die Wunden seines Todes saßen immer noch tief in mir und es viel mir von Tag zu Tag schwerer sie einfach so zu verdrängen, auch wenn ich wusste, dass man dies nicht rückgängig machen konnte.
Ich spürte Roxys traurigen und trüben Blick auf mir ruhen, der mich beinah zu durchbohren schien. Ich konnte sie nicht ansehen und wollte am liebsten im nächsten Augenblick hinausrennen und ihr nie wieder unte die Augen treten, aber mein Dad hatte mich schon von klein auf gelernt nicht immer vor meinen Problemen davonzulaufen, also tat ich dies auch nicht und zu meiner Erleichterung fing sie nach einer Ewigkeit auch an zu sprechen. “Mikel hatte mir gesagt, dass ihr heute hier auftretet.“ War mir klar, schoss es mir durch den Kopf und starrte wie gebannt auf meine Füße. Der Schweiß rannte mir wie verrückt über die Stirn und am liebsten würde ich sofort in mein Bett steigen und die Augen für den restlichen Tag schließen, wobei ich von Glück sagen konnte, dass heute keine weiteren Termine uns bevorstanden.
Anscheinend hatte sie von meinem Verhalten allmählich genauso genug, wie ich von mir ebenfalls, denn das letzte was sie sagte, war “Vergiss es einfach!“, dann rannte sie mir nichts, dir nichts aus der Kabine und hörte ich hastigen Schritte immer leiser werden.
Seufzend lehnte ich mich mit dem Rücken an einen Spint und schloss meine Augen. Natürlich musste ich es wieder einmal vermasselt haben, war ja kein Wunder, so war ich nun einmal. Ich machte mir alles selber kaputt. “Chris, du fehlst mir so“, flüsterte ich in den Raum hinein und zog ein Foto von ihm und mir aus meinem Rucksack, welches Izzy irgendwann einmal von uns gemacht hatte, als wir noch bei der Show “Big in America“ mitgemacht hatten und noch nicht feststand, welcher der Deutschen in der Band war.
Vorsichtig strich ich über das Foto und eine Träne fiel auf es. Es zeigte uns beide, wie wir mit dem Jet-Ski über den See vor der großen Villa in Orlando/Florida düsten. Es war eine schöne und ausgelassene Zeit...
//Flashback//
“Endlich frei!“, jubelte ich und rannte nach draußen, da ich keine Lust hatte noch länger auf die anderen zu warten. Ich wollte unseren freien Tag genießen und würde jede Sekunde vollkommen auskosten. Gestern war Rogers Geburtstag und wir hatten die Nacht beinah durchgemacht, mehr würde ich mich dazu auch nicht äußern und ich wusste, dass dies erst der Anfang eines abenteuerlichen Lebens sein würde.
Als erster kam ich an dem langen Steg an. Die frische Sommerluft wehte mir um die Ohren und ließ leichte Wellen auf dem Wasser schlagen. Die Bäume flüsterten sich leise Geschichten zu und ich wollte, dass unsere Geschichte nie ein Ende finden würde, denn ich genoss diese Zeit mehr als jede andere in meinem Leben zuvor.
Als auch endlich einmal die anderen Jungs angekommen waren, konnte es losgehen. Chris und ich teilten uns einen Jet-Ski und er saß am Steuer, wobei Izzy seine Finger nicht von der Kamera lassen konnte und sofort ein Foto von uns schießen musste, nun ja, mir sollte es nur recht sein.
Dann fuhren wir endlich los. Chris und ich auf einem, Jay und Roger auf einem anderen, wir fuhren um die Wette, es war ein heiden Spaß, der damit ein Ende fand, als Chris und ich im Wasser landeten. Verdutzt sahen wir uns an und fielen dann in schallendes Gelächter.
Irgendwann hatte ich diese Zeit vergessen und würde sie auch nie wieder in Erinnerung rufen...
//Flashback End//
Noch eine ganze Weile blieb ich nachdenklich sitzen, bis es an der Tür klopfte und als ich aufschaute hatte ich für einen Moment das Gefühl als würde Chris fröhlich wie immer durch die Tür spazieren, aber dem war nicht so. Es war nur Izzy, der seinen Kopf durch den Spalt steckte. “Wo bleibst du denn, Kleiner?“, wollte er wissen und sah mich fragend an, aber ich winkte nur ab und meinte, ich sei gleich da.
Doch mir kam es vor wie eine Ewigkeit, als wir uns draußen vor dem Van wieder trafen und gemeinsam zurück zur WG fuhren, wobei bei der Rückfahrt die Stimmung wesentlich ausgelassener war als auf der Hinfahrt. Das Radio spielte einen mir unbekannten Song aus den siebzigern. “When I find myself in times of trouble Mother Mary comes to me, speaking words of wisdom, Let it be, For though they may be parted there is still a chance that they will see, There will be an answer, Let it be...”
Gedankenverloren starrte ich aus dem Fentser und hatte meine Stirn an die Scheibe gelehnt. Wieder einmal hatte ich diesen Traum, in dem ich mit Naomi zusammen war und dieser schien mich so schnell auch nicht loslassen zu wollen. Vielleicht sollte ich nachher doch noch etwas spazierengehen, um einen klaren Kopf zu bekommen, denn in mir geisterten derzeit so viele Gedanken herum, dass ich endlich eine Lösung finden musste, um ihnen zu entrinnen.
Aber womöglich sollte es auch so sein, denn mit Sicherheit war kein Leben problemlos, doch meine Probleme wollte ich unter allen Umständen lösen.
“Ich bin nochmal weg“, rief ich durch den Flur ins Wohnzimmer, nahm mir den Schlüssel und meine Jacke vom Haken, band meine Turnschuhe zusammen und schlüpfte durch die Tür. Vielleicht könnte ich ja wieder etwas Basketball im Park spielen. Das hatte ich wirklich schon lange nicht mehr getan, denn mir blieb dazu auch keine Zeit mehr, aber wenn ich diese schon einmal hatte, würde ich sie auch auskosten.
Es war ziemlich kühl als ich durch die Straße lief und allmählich dämmerte es ebenfalls. Ich war noch nie zuvor in Europa gewesen und nun lebte ich schon knapp zwei Jahre in Berlin, der Hauptstadt von Germany. Eigentlich hatte ich mich wirklich darauf gefreut, doch im Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher als wieder bei meiner Familie in Wheaton/Illinois zu sein. Ja, ich gab es zu: Ich hatte höllisches Heimweh.
Leise sang ich “I want you back“ vor mich hin und kickte hin und wieder einen Stein vor mich her. Ich vermisste Roxy und mir war bewusst, dass ich noch nie jemanden so sehr geliebt hatte wie sie. Nun ja, vielleicht hatte ich es ihr nie wirklich gezeigt, aber tief in meinem Inneren kannte ich die Wahrheit.
Immer noch dachte ich scharf darüber nach, was ich sonst noch machen sollte. Möglicherweise wollte sie auch nicht, dass ich solche Aktionen wie einen Heiratsantrag brachte. Vielleicht wollte sie auch einfach ein ganz normales Gespräch, aber daran zweifelte ich allmählich ebenfalls, denn sonst hätten wir heute miteinander gesprochen, ohne dass sie sofort hinausgerannt wäre.
Für einen kurzen Augenblick war ich so glücklich gewesen und im nächsten Moment wurde dieses Glück schon wieder zerstört, aber vielleicht sollte es einfach auch so sein, schließlich wollte ich mich eigentlich nur auf meine Karriere vorerst konzentrieren, denn beides bekam ich nicht unter einen Hut, obwohl es mich schon etwas wunderte, wie die anderen Jungs dies schafften, denn Mikel und Izzy waren seit kurzem wieder vergeben. Izzy war mit seiner Ex-Freundin Carly wieder zusammengekommen und Mikel mit einem Model names Joanna. Es war ja nicht so, dass ich ihnen ihr Glück nicht gönnen würde, aber irgendwie machte sich eine kleine Schicht Eifersucht in mir breit, denn ich wünschte mir ebenso nichts sehnlicher als jemanden, der es wirklich ernst mit mir meinte und mit dem ich mein restliches Leben verbringen konnte.
I want you back in my Life
I swear I’ll never pretend
If only you’d understand
I was a fool to believe
You would stay in my Life
After all that I’ve done
Völlig in Gedanken achtete ich nicht sonderlich auf den Weg und es musste natürlich passieren, was passieren musste. Ohne groß darauf zu schauen wo ich hinlief, ging ich über eine breite Straße. Mein Gehirn hatte ich vollkommen ausgeschaltet und so bemerkte ich den Lastwagen, der auf mich zugerast kam zu spät. Ein heller Schrei ertönte in der dunklen Nacht und dann war alles still...
“Wir können noch nichts genaues sagen“, ertönte eine Stimme, die von sehr weit an mein Ohr zu dringen schien. Langsam öffnete ich meine Augen, helles Licht blendete mein Sehvermögen. Wo war ich hier? Alles um mich herum war weiß, die Wände, die Decke, die Tür. Ich fühlte mich schwach und konnte mich nicht bewegen. Ich verstand einfach nicht, was geschehen war.
Erst Minuten nachdem ich wach geworden war, bekam ich mit, dass zwei Personen rechts neben meinem Bett standen. Ich versuchte meinen Kopf in diese Richtung zu drehen, was mir deutlich schwerfiel, aber als es endlich geschafft war, nahm ich nur verschwommen wahr wer dort stand und sich mit wilden Armbewegungen aufgeregt unterhielten. Der Mann in dem weißen Kittel musste wohl oder übel der Arzt sein. Er hielt ein Klemmbrett in seiner Hand und ging mit flinken Bewegungen und einem Kugelschreiber darüber, was darauf schließen ließ, dass er sich etwas notierte.
Mein Blick schweifte zur nächsten Person, einer Frau, die ich nicht deutlich erkennen konnte, aber diese Stimme, sie kam mir so bekannt vor und sie ich unter hunderten sofort wiedererkennen. “Roxy!“, flüsterte ich in mich hinein und erst jetzt fiel mir auf, dass ich an viele Schläuche gebunden war, die Maschinen gaben schrille Töne von sich und ich war an einen Tropf angeschlossen, der mich künstlich ernährte.
Noch hatten weder der Arzt oder Roxy mitbekommen, dass ich wach war, also versuchte ich ihrem Gespräch zu lauschen und das wichtigste herauszuhören. “Er hat ziemlich viel Blut verloren, aber es war gut, dass man uns sofort verständigt hat, so hat er noch gewisse Chancen durchzukommen“, erklärte der Doctor und blätterte in seinen Akten herum. Meine Beine waren schlaff und ich spürte keinen Nerv mehr, ich konnte sie partout nicht mehr bewegen, doch das stellte ich nun erst einmal in den Hintergrund. “Bitte, er muss es schaffen“, erwiderte Roxy. Ihre Stimme klang verzweifelt und ihr Gesicht war von Tränen übersät. Warum weinte sie? Etwa wegen mir?
“Wir werden unser möglichstes tun, aber wir können noch nichts versprechen, bislang ist er auf einem guten Weg wieder zu Kräften zu kommen, dennoch ist er noch nicht über dem Berg.“ Als er kurz zu mir hinübersah, schloss ich abrupt meine Augen, da er nicht unbedingt wissen musste, dass ich schon wach war. “Ich lass Sie jetzt allein, aber bleiben Sie bitte nicht zu lange, er braucht noch sehr viel Ruhe.“ Ich sah, wie er ihr aufmunternd zulächelte. “Er kommt wieder auf die Beine und mit Sicherheit weiß er, dass Sie für ihn da sind.“ Noch ein letztes Mal warf er einen kurzen Blick auf mich, bevor er dann das Zimmer verließ und wir somit allein waren.
Als die Tür ins Schloss gefallen war, hörte man nur noch die regelmäßigen Töne der Maschinen, ansonsten war in dem Zimmer kein Laut mehr zu vernehmen. Ich sah sie an und es kam mir für einen Augenblick so vor, als würde sie diesen Blick erwidern und als würde die Zeit derweil stehengeblieben sein. Keiner von uns sagte auch nur ein Wort, was bei mir auch nicht sonderlich schwer war, denn ich würde nun wahrscheinlich sowieso keines über die Lippen bringen.
Roxy setzte sich an mein Bett und nahm meine Hand, wobei sie zärtlich mit ihren Fingern darüberstrich. Schon lange war ich ihr nicht mehr so nahe gekommen und daher konnte ich auf einer Seite froh darüber sein, dass mir das passiert war, doch wenn ich kurz darüber nachdachte, wusste ich nicht einmal genau warum ich hier lag, denn nur wage konnte ich mich an das Geschehen erinnern.
“Es tut mir so Leid“, hauchte sie und mir kam es so vor, als würde plötzlich auftauchende Kälte den Raum erfüllen. Immer noch war ich nicht in der Lage etwas zu sagen, also hörte ich ihr einfach aufmerksam zu und lauschte dem Klang ihrer sanften Stimme. “Ich hatte einfach Angst dich zu verlieren“, fuhr sie fort, ließ dabei meine Hand keine Sekunde los. Natürlich kannte ich den Grund warum sie schlussgemacht hatte, aber ich wollte ihr nie abnehmen, dass es wirklich nur daran lag, dass ich mich nicht nur für das andere Geschlecht interessierte.
Sanft strich sie mir über meine verschwitzte Wange und sah mich besorgt an. “Was ist passiert?“, brachte ich letztlich nun doch heraus, während mein Herz vor Aufregung wie wild gegen meine Brust hämmerte. “Du wurdest angefahren, aber rede nicht so viel“, meinte sie und fügte dann hinzu: “Richie, ich weiß, dass ich falsch reagiert habe. Es ist deine Sache, was du machst.“ Länger konnte sie ihre Tränen nicht verbergen und dann geschah etwas, womit ich in meinen künsten Träumen nicht zu denken gewagt hatte. Sie fiel mir um den Hals und weinte sich an meiner Brust aus. Vorsichtig legte ich den Arm, der nicht mit einem Gips verbunden war, um sie und schloss meine Augen. “Verzeih mir bitte“, schluchzte sie und sah mich beinah flehend an, wobei ich nur nicken konnte. Ein kleines Lächeln brachte ich über meine Lippen und endlich sollte es für uns wieder Bergauf gehen, hoffte ich zumindest und damit sollte ich auch nicht Unrecht behalten.
Eine ganze Weile sahen wir uns stumm in die Augen, bis unsere Lippen sich zu einem versöhnenden Kuss vereinten. Es war der Anfang vom Ende für uns...
Girl I just cannot forget
The day you got up and left
Without you, I’ll go crazy
Oh Girl, I just can’t forget