I don’t wanna be your friend no more
Stop calling, cause it’s all over
Girl I can’t take no more
Cause it eats me up inside
I don’t wanna be here waiting for the one I gave up long ago
You said that I’d never go
Oh Girl I don’t think so
Immer noch konnte ich nicht realisieren, was passiert war. Bereits einen Monat lag der Amoklauf zurück und danach hatte ich eigentlich beschlossen wieder nach Berlin zurückzukehren, ließ diesen Gedanken nach weiteren Überlegungen jedoch schon links liegen.
Nachdenklich lag ich auf meinem Bett, hatte meine Hände auf meinem Bauch abgelegt und starrte die weiße Decke an, die meiner Ansicht nach wieder einmal einen neuen Anstrich gebrauchen könnte, doch plötzlich klingelte es unten an der Haustür und ich lauschte dem Gespräch zwischen meiner Mom und...nun ja, eben noch anderen Stimmen, die ich nicht zuordnen konnte. “Er ist oben in seinem Zimmer“, hörte ich meine Mom sagen und schon kamen einige Schritte die Treppe hinauf, wobei sich nicht viel später auch schon meine Tür öffnete und helles Licht hineindrang, was mich einige Male blinzeln ließ, da ich bislang den Tag im Dunkeln verbracht hatte.
“Hey Kleiner, lange nicht mehr gesehen!“, lächelte mir Jay entgegen und betrat nun vollkommen mein Zimmer, wobei Chris, Mikel und Izzy ihm folgten. Ich traute meinen Augen kaum, als ich meine Ex-Bandkollegen und gleichzeitig besten Freunde dort stehen sah. Noch heute waren wir in Kontakt geblieben und ich bekam so gut wie alles mit, was sich zu Zeit um US 4 drehte. Als ich ausgestiegen war, hatten sie auch sofort ihren Namen umgeändert, weil sie lieber zu viert weitermachen wollten, als sich einen Ersatz zu suchen, denn so wie Jay immer zu sagen pflegte: “Richie, dich kann keiner ersetzen!“, wobei ich jedoch immer wieder protestierte, da das, was er behauptete, mit keinem Wort der Wahrheit entsprach.
Ich sprang von meinem Bett auf und umarmte die Jungs stürmisch, wobei mir warme Tränen in die Augen traten, da mir bislang nicht bewusst gewesen war, dass ich diese vier Verrückten so vermisst hatte. “Immer mit der Ruhe!“, grinste Izzy und wuschelte mir durch meine blond zerzausten Haare, was er gerne tat, doch ich nur sauer deswegen war, ich ihm das heute allerdings ausnahmsweise durchgehen ließ. Ich war so froh, dass sie nun da waren, da ich seit einigen Tagen bereits den Wunsch verspürte mit jemandem reden und meine Probleme anvertrauen zu können.
Es hatte sich in der letzten Zeit so viel getan und das alles konnte ich einfach nicht länger für mich behalten, eben meinen Kummer in mich hineinfressen. “Was macht ihr hier?“, wollte ich wissen, während wir nach unten in die Küche zum Mittagessen waren. “Wir wollten dich einfach besuchen, aber wenn dir das nicht passt, können wir auch wieder gehen“, grinste Mikel und war bereits auf dem Weg zum Ausgang, doch Chris hielt ihn auf und schüttelte verständnislos den Kopf. “Spinner!“ Doch im nächsten Augeblick schon wurden sie ziemlich ernst, auch sonst spürte ich, dass die Jungs nicht mehr die Alten waren, sie waren irgendwie ruhiger geworden. Mir schoss eine Frage wie ein Blitz durch meinen Kopf: Was war während meiner Abwesenheit nur geschehen, dass so eine betrübte Stimmung den Raum erfüllte?
Mit einem Hungergefühl in der Magengegend betrat ich zusammen mit den anderen die Küche, wo sich bereits meine Eltern, mein Bruder Bobby und meine Schäferhündin Candra aufhielten. “Hast du eigentlich noch Kontakt zu Naomi?“, fragte mich Izzy interessiert, wobei ich seine Frage nur verneinen konnte. Wieso sollte ich denn auch noch Kontakt zu dieser Schlampe haben?
Wie ich bemerkte, atmete er erleichtert auf, genauso wie die anderen am Tisch, was ich nicht sonderlich verstehen konnte, doch schon im nächsten Augenblick sollte ich aufgeklärt werden. Ich fragte zwar nicht weiter nach, da mich Naomi nun wirklich nicht interessierte. Ich war einfach nur froh, dass sich in dem vergangenen Monat seit dem Amoklauf nicht viel getan hatte. Izzy seufzte tief und nahm sich ein Brötchen aus dem Korb. Während er es aufschnitt sah er mich an und fing an zu sprechen. “Es ist so: Naomi hat uns alle nur verarscht“, erzählte er und schmierte sich Marmelade auf seine Hälfte. Ja, das war ja wohl nichts neues mehr. Naomi verarschte jeden Typen und deshalb war ich froh, dass ich sie los war. Ihr Brief hing immer noch in meinen Gedanken fest, auch wenn ich krampfhaft versucht hatte diesen zu vergessen, aber es ging nicht. Warum nur? Darauf hatte ich bis heute noch keine Antwort, wobei ich doch stark hoffte, dass ich sie nie wieder sehen musste, aber wie auch sonst würde ich nur Pech haben, so wie mein ganzes bisheriges Leben auch.
Ich erwiderte daraufhin nichts weiter und aß einfach weiter, dabei schaute ich nachdenklich aus dem Fenster, bis es an der Tür klingelte. Meine Mom ging hin und kam jedoch Sekunden später schon wieder zu uns in die Küche. Sie sah mich an. “Besuch für dich“, meinte sie nur und setzte sich wieder. Für mich? Besuch? Wer konnte das nur sein? Fragend blickte ich in die Runde, doch hier würde ich wohl keine Antwort bekommen, also stand ich auf und machte mich auf den Weg zur Haustür, gefolgt von meiner Hündin Candra.
Mir blieb die Spucke als ich sah, wer dort nun leibhaftig vor mir stand. Ich schluckte hörbar. “W-Was machst du hier?“, stotterte ich und fiel beinah aus allen Wolken. “Ich wollte dich besuchen“, lächelte die Person mir zu und kraulte Candra hinter ihrem Ohr.
Ich spürte, dass hinter mir jemand zum stehen kam, dennoch drehte ich mich nicht um, sondern war einfach wie fixiert von ihr. “Naomi!“, hörte ich Chris hinter mir sagen und auch er schien total perplex von ihrem Auftreten zu sein. Ich verdrehte die Augen und wollte unhöflicherweise die Tür wieder zuschlagen, doch da machte die Lady mit einen Strich durch die Rechnung, indem sie ihren Fuß zwischen den Spalt steckte. Seufzend und hilfesuchend blickte ich nach hinten zu den Jungs, doch die sahen nicht weniger verzweifelt aus als ich. Wieso musste sie ausgerechnet jetzt wieder in mein Leben tauchen?
Erneut blickte ich zu Naom und mir blieb wohl keine Wahl als sie ins Haus zu lassen und genau das tat ich auch. Ich trat zu Seite und sie betrat den Flur, wobei Candra sofort angetapst kam und sie knurrend ansah. Auch sie hatte wohl bemerkt, dass Naomi hier nicht willkommen war.
Anscheinend wollten die Jungs mit alledem nichts zu tun haben, da sie sich in der nächsten Sekunde auch schon wieder verdünnisiert hatten. Ich musste mit ihr reden, denn seitdem ich alles am Telefon belauscht hatte, was mit Mikel abgegangen war, hatte ich von ihr auch nichts weiter gehört und immer noch stand ein Gespräch zwischen uns offen.
Ich ging voran und schloss meine Zimmertür hinter uns, dann setzte ich mich auf mein Bett, sah Naomi jedoch nicht an. Vorerst herrschte Stille zwischen uns, die sie allerdings schon im nächsten Augenblick brach. “Richie, hör zu, ich denke, wir hatten wirklich einen Fehlstart. Können wir nicht noch einmal von vorne beginnen?“ Ich rollte mit den Augen. Wie konnte sie es wagen, einfach hierherzukommen und mir so etwas zu erzählen? Ich sah ihr in ihre braunen Augen. “Ich denke nicht, dass das eine so sinnvolle Idee wäre“, erwiderte ich daraufhin und blickte sie erwartungsvoll an, wobei ich auf eine Antwort wartete, die ich allerdings nicht bekam.
Stattdessen kam sie mir näher und ihre Augen hatten einen verführerischen Blick aufgesetzt, den man einfach nicht widerstehen konnte. Bleib hart, schoss es mir durch den Kopf und ich wurde nervös. Ich rührte mich keinen Zentimeter, obwohl ich bereits genau wusste, was sie vorhatte, aber irgendetwas sagte mir, dass ich nichts tun konnte. Stück für Stück kam sie mir näher, bis sich ihre Hand auf meine Wange legte. Zärtlich strich sie mir mit ihrem Daumen darüber. Ich schluckte hörbar. In mir bebte alles und mein Gehirn schaltete sich für diesen kurzen Moment der Stille einfach aus. Ich dachte an nichts mehr. Naomis Augen waren nur noch halb geöffnet und sie zogen mich auch so noch förmlich in ihren Bann.
Noch ein Stück rückte sie näher und ich spürte bereits ihren warmen Atem auf meinen Lippen, während sich in mir alles verkrampfte. Meine Lungenflügel gaben kein Lebenszeichen mehr von sich und mein Herz machte einen Aussetzer nach dem anderen. Ich konnte einfach nicht anders, obwohl ich genau wusste, dass sie mir total wehgetan hatte. Ich wollte sie ganz nah an mir spüren, wollte ihr meine Zunge in den Rachen jagen.
Für einen kurzen Moment schloss ich meine Augen und dann, eh ich mich versah, war es auch schon geschehen. Ich spürte ihre weichen mit Erdbeer-Lipgloss beschmierten Lippen auf meinen. Ich legte mich auf den Rücken und zog sie mit, ohne mich ein einziges Mal von dem leidenschaftlichen Kuss zu lösen. Nicht einmal nach Luft rang ich. Sanft strich ich ihr über ihre Seite und spürte dabei, wie sich in meiner Hose etwas tat. Mein Penis wurde hart und steif.
Doch da klopfte es auch schon an der Tür. Einerseits war ich recht erleichtert darüber, aber andererseits war ich auch genervt davon, da wir gerade gestört wurden. Schnell löste ich mich von Naomi und schloss den Gürtel meiner Hose, den sie inzwischen geöffnet hatte. Mit einem “Herein“ machte ich der Person deutlich, dass sie eintreten konnte und dies tat sie dann auch. Es war Chris. Abwechselnd sah er uns an, dann blieb sein Blick an mir hängen. “Sorry, ich wollte nicht stören, ich müsste aber einmal mit dir reden. Unter vier Augen!“ Ernst sah er mich an, wobei ich nur nicken konnte, dann warf ich Naomi einen “Später-Blick“ zu, sie verstand und verschwand.
Ich schaute ihr nach und dann fiel mein Blick erneut auf Chris. Was wollte er denn jetzt bloß? Erst in dem Augenblick bemerkte ich, dass meine Hose immer noch eine starke Beule aufwies und schnell legte ich die Bettdecke darüber, doch Chris schüttelte dabei nur den Kopf. “Du brauchst da nichts zu verstecken“, seufzte er. “Ich habe es schon längst gesehen.“ Er setzte sich neben mich und sah mich immer noch ernst an. “Warum machst du das wieder?“, wollte er wissen und schien nicht glauben zu können, dass ich beinah zum erneuten Mal mit ihr geschlafen hätte, wenn er nicht in das Zimmer geplatzt wäre. Also, ich musste schon sagen, dass ich selber auf der Suche nach der Antwort war, jedoch fand ich diese nicht. Er sah mich immer noch erwartungsvoll an, aber ich wollte nichts sagen. Tränen bahnten sich ihren Weg ins Freie. Ich empfand nichts mehr für sie, es war vorbei, dennoch konnte ich mich von ihr einfach nicht losreißen.
“Liebst du sie noch?“, fragte er und holte mich somit aus meinen Gedanken. Unsere Blicke trafen sich. Ich wusste, dass ich nichts mehr für sie empfand oder zumindest dachte ich dies, konnte allerdings nicht genau sagen, ob dem auch wirklich so war.
I have something you don’t want me to say
My faith in you has gone right down the drain
Why do you make me do things I don’t even understand
To be frank I’ve had enough
Eine ganze Weile sagte keiner von uns auch nur ein Wort, dann tat Chris etwas, womit ich keineswegs gerechnet hatte. Er umarmte mich, aber auf eine Art, die ich von ihm nicht gewohnt war. Es war nicht freundschaftlich, es war mehr, doch mit Sicherheit bildete ich mir dies auch nur ein. “Es tut mir leid“, hauchte ich und meine Stimme versagte. Länger konnte ich die feuchten Tränen auch nicht zurückhalten. Warum musste das Leben nur so verdammt wehtun?
Ich dachte an die Zeit zurück, wo alles begonnen hatte, wo die Jungs und ich uns gerade einmal kennengelernt hatten. An die erste Begegnung im Wald und an den Geburtstag von Roger, der inzwischen eine Solo-Karriere gestartet hatte und damit auch ziemlich erfolgreich war, wobei wir Jungs von US 5 und das Triple M Management ihm dabei etwas geholfen hatten. Es war damals noch alles so unbeschwert, ich war sorgenlos und der Witzbold der Band, doch irgendwann einmal hatte sich in meinem Leben so gut wie alles zum negativen gewendet. Schon öfter hatte ich während der ganzen Band-Zeit daran gedacht meinem Leben einfach einen Schlussstrich zu setzen, daher auch die Narben auf meinem rechten Oberarm, die schon für jegliche Art von Gerüchten in den Zeitungen gesorgt haben.
Schweigend sah ich zu Chris und mir kam es so vor, als hätte jemand die Zeit angehalten, da sich nichts in diesem Raum mehr schien zu bewegen. Wir sahen uns in die Augen, bis ich mich irgendwann einmal von seinen lösen konnte, worüber ich auch wirklich froh war. Was war das nur was soeben mit mir passiert war? Ich wusste es nicht. Es war ein Gefühl, welches ich bislang noch nie erlebt hatte. Ich sah Chris an und spürte alles in mir aufleuchten, wie ein Feuerwerk explodierte mein ganzer Körper.
Heftig schüttelte ich den Kopf, um diesen unangenehmen Gedanken loszuwerden. Ich wollte jetzt erst einmal an nichts negatives denken, vor allem nicht an irgendwelche Gefühle, sondern wollte einfach die Zeit genießen während die Jungs und, nun ja, Naomi da waren, aber auch um sie wollte ich mich in der ganzen nächsten Woche nicht kümmern, obwohl mir bewusst war, dass ich nun einmal ein bestimmtes Verlangen nach ihr hatte. Ich wollte in sie eindringen und meinen nackten Körper an ihren schmiegen, aber ich musste mich nichts desto trotz beherrschen.
“Komm zurück in die Band“, hörte ich Chris sagen und er klang dabei schon beinah flehend. In die Band zurückkehren, ja, genau das war es auch was ich nichts lieber wollte, doch ob das so leicht sein würde? Schließlich war seit meinem Ausstieg bereits ein Monat vergangen und ob meine damaligen Fans wohl diese Entscheidung akzeptiert hatten und trotzdem noch hinter mir stehen würden? Wohl kaum, aber das waren wahrscheinlich auch die Konsequenzen, die ich daraus ziehen musste, wenn ich diesen Weg gewählt hatte. Ein Seufzen stieß ich aus meiner Kehle. Mir war klar, dass US 5 ohne mich nicht US 5 war, doch was hätte ich sonst tun sollen? Ich war in dieser Band zerbrochen und hatte mich gerade erst wieder erholt. Sollte ich nun tatsächlich wieder einsteigen? Es war eine schwere Entscheidung und ich musste mir alles gut durch den Kopf gehen lassen. “Richie, bitte!“, versuchte es Chris weiter, erreichte aber recht wenig bei mir, denn ich wollte zu diesem Thema im Moment nichts sagen, da konnte ich auch wirklich froh sein, dass in genau dem Augenblick mein Handy klingelte. Ein bekannter Rufton, Maria, ertönte aus dem Lautsprecher. Dieser Song hatte uns berühmt gemacht und auch dieser hatte mein Leben von Grund auf verändert.
Kurz erwischte ich einen von Chris’ fragenden Blicken, als ich auf mein Display schaute und nicht wusste, was ich davon halten sollte. Ich kannte die Nummer nicht und konnte mir auch keinen Reim daraus machen, wem diese gehören könnte. Normalerweise ging ich auch nicht an mein Handy, wenn ich die Nummer nicht kannte, aber irgendetwas in meinem Inneren sagte mir, dass es wichtig war, also ging ich ran und meldete mich mit einem leicht genervten “Ja“. Vorerst war nichts zu hören bis auf ruhige Musik, die im Hintergrund lief. Ich kannte diesen Song, doch wiederum war er mir fremd.
I thought that you’d be with me all my life
Now I want you to suffer day and night
I never thought that one day
I would see the day of light
Oh your time just wasn’t right
Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Wie konnte ich diesen Song denn auch nur vergessen? “I don’t think so“ Wir hatten diesen so oft im Studio rauf und runter geträllert, diesen hatten Chris und ich geschrieben und er war einer meiner Favoriten auf unserem zweiten Album. Erneut machte ich mich bemerkbar, doch immer noch bekam ich keine Antwort, bis das Besetztzeichen ertönte und die Verbindung unterbrochen wurde.
Verwirrt starrte ich auf mein Display. Was war das denn eben für eine dumme Aktion? Erst rief jemand an und dann legte er plötzlich auf. Seufzend legte ich es zurück auf den Nachttisch und machte Chris deutlich, dass er mich allein lassen sollte, was er daraufhin auch sofort tat.
Es dämmerte draußen bereits und der Mond stieg an Horizont empor. Gedankenverloren starrte ich an die Decke und ließ alles wie einen Film noch einmal revue passieren, was ich in letzter Zeit oft getan hatte, wenn es mir wieder nicht gut ging. Ich schob meinen Ärmel nach oben und betrachtete meine blutunterlaufenen Kratzer am Arm, die vom Licht des Mondes beschienen wurden. Ob ich es noch einmal versuchen sollte? Der Schmerz ließ mich jedes Mal alles einfach vergessen und ich fühlte mich sofort besser, obwohl mich dieser Schmerz immer neu durchzuckte, doch anders konnte ich nicht. Ich kam davon nicht los und irgendwie tat es auch gut, also würde ich noch einen Versuch machen, vielleicht würde ich sogar dieses Mal mein Ziel erreichen und endlich wieder vereint mit Roxy sein.
Ich warf einen Blick auf die Uhr, die mir zeigte, dass es bereits neun Uhr abends war. Wie die Zeit vergangen war und ich hatte diese nicht genutzt, um mit meinen Freunden etwas zu unternehmen, doch soeben war mir das ziemlich egal, denn ich wollte einfach für mich allein sein.
Erneut klingelte mein Handy und auch dieses Mal erschien die unbekannte Nummer auf meinem Display. Wer war das nur? Ob ich nun auch rangehen sollte? Vielleicht würde ich ja endlich herausfinden, wer es war, also beschloss ich doch mich zu melden, da meine Neugier gleichzeitig auch gewachsen war. Mit einem wiederholten “Ja“ meldete ich mich, doch nichts war zu hören, außer der Atem einer Person, der gleichmäßig durch den Hörer an mein Ohr stieß. “Hallo, wer ist denn da?“ Langsam wurde ich nervös und ich wollte unbedingt wissen, wer auf der anderen Leitung war, aber wie sollte ich das nur herausfinden? Anscheinend gab es keine Möglichkeit, also legte ich wieder auf. Enttäuschung machte sich in mir breit.
Als ich mich in meinem Zimmer umsah, erblickte ich es. Es funkelte im fahlen Schein des Mondes und lag nur so bereit da, um eingesetzt zu werden. Woher dieses Butterfly-Messer stammt konnte ich nicht sagen, aber wahrscheinlich hatte Bobby dieses hier liegengelassen. Er hantierte oft mit solchen Arten von Messern, da er vor kurzem beim Polizeirevier von Chicago aufgenommen wurde. Ich kniete mich auf den Boden und umklammerte den Griff mit zitternder Hand. Einige Sekunden saß ich da und sah es mir an. Das Messer war scharf und kaum benutzt. Ich konnte es nun tun ohne gestört zu werden. Es würde niemand erfahren und ich würde mich danach mit Sicherheit besser fühlen.
Klar, ich war noch jung und hatte mein Leben wahrscheinlich noch vor mir, wie alle sagen würden, aber für mich war mein Leben schon längst gelaufen. Ich hatte in so kurzer Zeit so große Erfahrungen gesammelt, dass es für mich keinen weiteren Grund mehr gab zu leben, denn diese Erfahrungen hatten mir gezeigt, dass es für mich nichts mehr gab für das es sich lohnen könnte zu leben. Gott hatte etwas anderes für mich geplant. Er hatte eine anderen Aufgabe für mich und diese würde ich wohl nur erfahren, wenn ich meinem Leben hier und jetzt ein Ende setzen würde.
Ich warf einen hastigen Blick zur Tür und biss die Zähne zusammen. Ob ich es wirklich tun sollte? Ich hatte es bereits zweimal getan, doch dieses Mal überkam mich eine ungewisse Unsicherheit, die ich mir nicht erklären konnte. Was war nur los mit mir? Ich fühlte mich einfach hin- und hergerissen von allem. Einerseits wollte ich meine Familie und Freunde nicht im Stich lassen, aber andererseits konnte ich nunmal nicht mehr, doch keiner würde mich verstehen, das wusste ich. Seufzend schnappte ich nach meinem Rücksack und packte das Messer in die Tasche, dann schrieb ich noch schnell einen Abschiedsbrief und blickte kurz aus dem Fenster. Dies würde wohl meine letzte Nacht auf dieser Erde sein. Ich schaute gen Himmel und mir strahlten Millionen von Sternen entgegen. “Bald würde ich bei dir sein, mein Schatz!“, flüsterte ich in die Dunkelheit, die so ruhig verlief, dass man beinah Angst bekommen konnte.
Ich stand vom Boden auf, nahm das Stück Papier, welches mit meiner schmierigen Schrift versehen war, und öffnete leise die Tür. Ich streckte meinen Kopf hianus und bemerkte, dass alles dunkel war und anscheinend alle schon schliefen, ein Glück für mich, denn so konnte ich mich problemlos hinausschleichen.
Ich lief hinaus in die Dunkelheit und schaute weder nach links noch nach rechts. Meinen Schritt beschleunigte ich zügig, bis ich an ein kleines Waldstück kam, welches nicht weit entfernt von meinem Zuhause war. Früher hatte ich mich mit meiner Clique oft hier draußen getroffen und wir haben allen möglichen Scheiß gemacht, den ich bis heute noch nicht vergessen hatte, wobei dies wohl auch unmöglich zu sein schien.
Hier würde ich auch meine letzten Minuten verbringen. Ich lehnte mich nicht viel später an einen vom Regen befeuchteten Baum. Mit dem Rücken ließ ich mich an ihm hinunter und setzte mich dann in das nasse Gras. Es war kalt und ich fing an zu frieren, obwohl ich eigentlich keinen Grund dazu hatte. Klar war mir etwas kalt, dennoch musste ich es aushalten, es gab kein zurück mehr.
Langsam und wie in Zeitlupe öffnete ich den Rucksack und blickte hinein. Das Messer funkelte mir nur so entgegen. Ich hatte Angst, aber ich sah auch wiederum keinen anderen Ausweg. Mich würde doch sowieso niemand vermissen.
Ich nahm es langsam hinaus und betrachtete es mir, dann blickte ich mich um, damit ich sicher gehen konnte, dass niemand hier war und mich sehen konnte. So wie es aussah, hatte ich auch Glück. Ich lehnte mich an den Baum und schloss für einen kurzen Moment meine Augen.
Als ich sie wieder geöffnet hatte, legte ich das Messer an meine Pulsader. Ich wollte zustechen, doch just in dem Augenblick wurde ich davon abgehalten. “Tu es nicht!“, hörte ich eine Stimme dicht neben mir. So ein Mist, dachte ich mir und seufzte innerlich, dann blickte ich nach oben, wobei mich beinah der Schlag traf. Ich riss meine Augen weit auf und konnte nicht glauben, wer da soeben vor mir stand. Es war doch alles nur ein Traum, anders konnte es nicht sein.
“R-Roxy“, flüsterte ich so leise, dass man es kaum verstehen konnte. Das konnte nicht sein, sie war tot. Sie hatte den Amoklauf nicht überlebt und damit hatte ich mich schon längst abgefunden, aber dass sie jetzt einfach hier vor mir stand als sei nichts gewesen, das konnte nicht sein. Sie nickte nur. “Wie du sehen kannst, bin ich es.“ Kein Lächeln zierte ihr Gesicht, sie sah mich nur besorgt an und setzte sich dann neben mich. Ich konnte sie nicht ansehen, zu sehr schämte ich mich, denn sie hatte mich bei einer Tat erwischt, die nicht so leicht zu verzeihen war, aber was ging sie das überhaupt an? Schließlich war es doch immer noch meine Sache, was ich mit meinem Leben anstellte.
Vorsichtig nahm sie mir das Messer aus der Hand, was mich nicht sonderlich störte. Derzeit war mir einfach alles egal. Salzige Tränen flossen mir über die Wangen. “Ich kann nicht mehr“, hauchte ich in die Dunkelheit, wich ihrem Blick allerdings aus. Behutsam legte sie einen Arm um mich.
In meinem Leben hatte ich alles falsch gemacht. Ich hatte nie die Liebe zu spüren bekommen, die ich mir so sehnlichst wünschte. Nie hatte ich meine Jugend wie andere genießen können. Meiner Mom ging es immer nur um die Karriere, aber nie hatte mich jemand gefragt, wie ich mich dabei fühlte.
Roxy drückte mich an sich und strich mir beruhigend über den Rücken. Ich wusste zwar nicht, was passiert war, dennoch war ich wirklich froh, dass sie nun wieder da war. Bislang war sie die einzige Person von der ich glaubte, dass sie mich wirklich verstand. “Bitte mach das nicht! Es ist keine Lösung!“ Mit ihren freundlichen Augen sah sie mich an. “Wenn du jemanden zum reden brauchst, dann komm zu mir, aber nehm dir nicht dein Leben.“ Fragend sah ich sie an. Was interessierte sie es denn überhaupt, was aus mir wurde? Sie hatte doch mit Sicherheit auch ihre eigenen Probleme und dennoch kümmerte sie sich um mich?!
Ich konnte bei ihrer Aussage nur den Kopf schütteln, nahm ihr dann das Messer aus der Hand, steckte es in den Rucksack und stand auf. “Es tut mir leid!“ Dann ging ich oder eher gesagt rannte ich davon.
“Richie, warte!“, hörte ich ihre sanfte Stimme noch in meinem Ohr erklingen, aber ich wollte nicht stehenbleiben geschweige denn mich überhaupt umdrehen. Langsam fing es an zu regnen, was ich schon gar nicht mehr wahrnahm. Meine Haare waren durchnässt und mein weißes T-Shirt war vollkommen durchsichtig geworden. Warum war ich denn jetzt bloß davongelaufen? Roxy wollte mir helfen und ich rannte einfach davon, aber sie würde mich nicht verstehen. Keiner verstand mich und ich verstand auch nicht, warum sie noch lebte. Damals hatte ich doch selber mitbekommen, dass sie gestorben war. Ich war bei ihrem Begräbnis und doch stand sie heute leibhaftig vor mir. Was sollte das alles nur?
//Flashback//
Es war einer der traurigsten Tage, die ich je in meinem Leben durchmachen musste. Vor gut einer Woche war eine meiner bedeutensten Freunde gestorben. Roxy hatte den Amoklauf nicht überlebt und heute war ihre Beerdigung. Eigentlich hatte ich nun wirklich keine Lust darauf hinzugehen, doch meine Mom und Jackie bestanden darauf. Krampfhaft versuchte ich meine Tränen zu unterdrücken und stieg dann in den schwarzen Range Rover.
Nachdenklich schaute ich aus dem Fenster und ließ die Landschaft vor meinem Auge davonschweifen. Nun hatte ich wirklich alles verloren. Die Band, eine sehr gute Freundin, einfach alles.
Nicht viel später waren wir bereits an der Kirche angekommen. Ich blickte mich mit einem trüben Blick um. Viele Leute waren gekommen und ich wunderte mich wirklich darüber, dass Roxy so viele Leute gekannt hatte. Auch John, Leif und Sarady, meine drei besten Freunde, waren anwesend. Sie hatten mich noch nicht bemerkt, was mich auch nicht sonderlich störte, da ich im Moment wirklich mit niemanden sprechen wollte.
Langsam trottete ich in die Kirche hinein, sah weder nach links noch nach rechts, sondern setzte mich einfach in eine freie Bank. Ich starrte wie gebannt auf den Boden, da ich den Anblick von Roxy nicht ertragen konnte. Der Sarg war geöffnet und jeder konnte Abschied von ihr nehmen, doch ich wollte nicht. Mein Herz brannte vor Trauer und ich wollte schreien. Ich konnte nicht mehr. Ich wollte einfach nur hier heraus.
Wie erstarrt stand ich auf und verließ die Kirche. Keiner nahm Notiz von mir, worüber ich auch wirklich erleichtert war, da ich nur allein sein wollte. Ich war hergekommen, weil ich keine andere Wahl hatte, aber nun ging ich, da ich dachte, ich müsste jeden Moment zusammenbrechen.
Ich lief die schmale Straße entlang und hörte die Glocken vom Kirchturm ertönen. Sicherlich hatte noch niemand mitbekommen, dass ich nicht mehr da war, was mir nur Recht war.
So kam ich also nach Stunden, wie es mir vorkam, nach Hause, tapste langsam nach oben in mein Zimmer und schmiss mich auf mein Bett. Es war alles einfach nicht fair.
//Flashback End//
Ich weiß nicht wie lange ich vor mich hergelaufen war, dennoch kam es mir vor wie eine Ewigkeit, bis ich mich schließlich auf eine Bank niederließ und ins Leere starrte. Reflexartig war ich davongerannt und wusste nicht einmal genau wieso. Roxy hatte mir doch nur helfen wollen, aber wie immer war ich zu stur, um mir helfen lassen zu wollen. Immer wusste ich alles am besten und wollte ohne jegliche Hilfe mein Leben durchstehen.
Mir kam es so vor, als könnte ich nie wieder glücklich sein. Es war nur noch eine Qual für mich, einfach alles! Was sollte ich denn nur tun? Ich war am Boden zerstört. Mir wurde einfach alles zu viel. Ich erinnerte mich noch an das letzte Mal, als ich versucht hatte mir mein Leben zu nehmen. Damals hatte man mich noch gerettet und mich sofort ins Krankenhaus geliefert. Wahrscheinlich hatten meine ach so tollen Freunde mich schon dort für verrückt erklärt und mich am liebsten in eine Klappse geliefert, aber dieses Mal war ich mir sicher, dass mir niemand helfen würde, denn schließlich wusste auch keiner, wo ich war.
Natürlich hatte ich Angst vor dem was mich erwarten würde, aber andererseits freute ich mich auch darauf endlich von meinen Schmerzen und meinem inneren Leiden erlöst zu werden. “Richie, tu es nicht!“, hallte Roxys Stimme in meinem Gehör wieder und mir kam es so vor, als würde sie immer näher kommen. Ich vernahm Schritte, die immer lauter wurden. Nun musste ich es tun, bevor ich erneut aufgehalten wurde.
Schnell holte ich das große Butterfly-Messer aus der Tasche und legte es zum wiederholten Mal an meine Pulsader. Nur ein kleiner Schnitt und alles wäre vorbei, doch nun hörte ich schon wieder ihre Stimme. Es war keine Einbildung. Sie kam wirklich näher und dann legte sich ihr Schatten über mich. Ich sah sie nicht an und doch wusste ich genau, dass sie es war.
US 5, don’t think so, oh no, oh no
I can tell you nothing but the truth in fact
Everytime that you were down I had your back
I don’t even wanna see you act like that
Are you ready, let’s go...go
Ich seufzte, wie ich es schon so oft in letzter Zeit getan hatte. “Richie, wenn du das tust, werde ich dir das nie verzeihen.“ Sie meinte es ernst, das wusste ich, aber konnte sie mich denn nicht auch verstehen? Nein, offenbar konnte sie es nicht, denn sonst würde sie mich verstehen, was sie jedoch nicht tat. Mit tränenerfüllten Augen sah sie mich an. Sie glitzerten im hellen Mondlicht und waren nicht länger die fröhlichen, klaren Augen, die ich an ihr kennengelernt hatte. Bitte Richie, tu es nicht, sagten sie mir und ich wusste, dass es ihr ernst war. Bislang hatte ich so jemanden nicht getroffen, der sich wirklich solch große Sorgen um mich machte.
Erwartungsvoll sah sie mich an. Anscheinend wartete sie immer noch auf eine Antwort von mir. Vielleicht hatte sie auch wirklich Recht und es war keine Lösung, aber welche andere hätte es für mich denn sonst geben sollen? Ich war einfach schon zu tief gesunken und hielt es nicht länger aus.
Ich konnte nicht sagen, wie lange ich hier bereits gesessen hatte, aber es muss eine Ewigkeit gewesen sein. Der Regen prasselte nur so auf die bereits aufgeweichte Erde und der Wind spielte mit den Blättern, sie tanzten in der Luft und dann spürte ich mit einem Mal ihre weiche, warme Hand auf meiner. Leicht drückte Roxy sie und zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich wohl und geborgen. Ich dachte an nichts mehr und konnte dennoch nicht sagen, was für ein unbeschreibliches Gefühl es war. So etwas hatte ich noch nie gefühlt.
Sie half mir auf meine zittrigen Beine und legte einen Arm um mich. “Lass uns nach Hause gehen“, hauchte sie mir sanft in mein Ohr und langsam gingen wir zusammen nebeneinander her.
Sie brachte mich zu sich nach Hause. Noch nie war ich hier gewesen, aber mir war derzeit alles egal. Ich wollte nur in die Wärme. Ich beobachtete Roxy dabei, wie sie den Kamin im Wohnzimmer anzündete und mir daraufhin irgendwelche Klamotten von ihrem Bruder. Ich nickte ihr dankend zu und verschwand für einige Minuten im Bad.
Dort legte ich meine nassen Klamotten ab und schaltete die Dusche ein, dann stieg ich hinein. Das lauwarme Wasser floss nur so meinen nackten Körper nach unten. Es tat so gut dieses zu spüren. Ob die anderen sich wohl fragen würden, wo ich abgeblieben war oder hatten sie noch nicht einmal mitbekommen, dass ich nicht mehr da war? Ich fühlte mich so schmutzig, wusste allerdings nicht wieso, ich bekam diesen Schmutz jedoch auch nicht von meinem Leib.
Ich lehnte mich an die Wand und schloss meine Augen, das Wasser strich immer noch sanft hinab, über meinen Rücken und meine Brust.
Ich stellte mir vor, ich wäre ein Adler im Wind, der frei über der Erde flog und in den Wolken verschwand, doch aus diesen Gedanken wurde ich schon schnell herausgerissen, als ich hörte, dass Roxy mit jemanden telefonierte, ich versuchte so gut es ging etwas von dem Gespräch aufzufassen.
“Ja, er ist hier! Ihr könnt vorbeikommen.“ Das war das einzige, was ich mitbekommen hatte, als es auch schon im nächsten Moment ruhig war. Was war das? Wer war das? Was hatte sie vor?
Panik überkam mich. Sie führte irgendetwas im Schilde. Sie hatte mich verraten und nun wusste ich nur eines: Ich musste so schnell es ging hier heraus, nur wie? Suchend blickte ich mich in diesem viel zu engen Badezimmer um, als es auch schon an der Tür klopfte. Ich schreckte auf und blickte mit weit aufgerissenen Augen in diese Richtung. “Richie? Wie lange brauchst du noch? Hier ist jemand, der dich gerne sprechen würde!“, rief Roxy durch die Tür und klopfte heftig daran. Nein, das konnte nicht sein! Wer wollte denn ausgerechnet jetzt mit mir sprechen? Eigentlich hatte ich ja gedacht, hier endlich einmal zu Ruhe zu kommen, aber wahrscheinlich würde ich diese nun doch nicht bekommen.
So sah ich also keine andere Möglichkeit als mich dem, was auch immer es sein mochte da draußen, zu stellen. Ich stieg aus der Dusche, trocknete mich in Rekordzeit ab und zog mich an, aber kurz zögerte ich dennoch, denn ich konnte mir nicht einmal denken, was mich dort erwarten würde.
Trotzdem drehte ich den Schlüssel im Schloss um und öffnete so die Tür. Vor mir stand Roxy. Immer noch sah sie besorgt aus, doch als ich mich umsah, erblickte ich zwei Männer, die an der Haustür standen. Zuvor hatte ich sie noch nicht gesehen und fragte mich, wer sie wohl sein würden, aber sicherlich würde ich es schon bald erfahren. Beide waren mindestens zwei Meter groß und sahen aus wie die Securitys meiner damaligen Band. Ich schluckte hörbar und wollte mich erneut im Bad einschließen, wurde allerdings von Roxys Hand, die meinen Arm streifte, abgehalten.
Sie sah mich an und lächelte mir aufmunternd zu. “Die beiden sind gute Freunde von mir. Sie arbeiten im Krankenhaus. Sie wollen mit dir reden. Bitte hör ihnen zu.“ Ich nickte, was allerdings ganz und gar nicht damit einverstanden, aber ich wollte ihr den Gefallen einfach einmal tun und mir anhören, was sie zu sagen hatten, denn meine Neugier war wieder einmal geweckt worden.
So setzten wir uns alle ins Wohnzimmer, während Roxy nach wenigen Minuten mit kalten Getränken zu uns kam. Ich nahm einen großen Schluck von meiner Cola und sah erwartungsvoll in die Runde, dann begann einer von ihnen zu sprechen. “Roxy hat uns erzählt, was du vorhattest und hat uns gebeten, mit dir zu reden.“ Er trank etwas. Hätte mir eigentlich auch klar sein können, dass es sich darum handelte. Roxy konnte auch wirklich nie ihren Mund halten. Man erklärte mich doch auch schon so genug für verrückt, da musste ich mir nicht wohl noch anhören, dass ich es war, vor allem nicht von irgendwelchen Typen, die ich nicht einmal richtig kannte, die einfach Fremde für mich waren. Gespannt sah ich ihn an und wartete darauf, dass er weitersprach, was er auch ohne groß zu zögern daraufhin tat. “Ich denke, du solltest froh darüber sein, was du hast.“ Durchdringend sah er mich an. “Glaub mir! Es ist wirklich keine Lösung!“ Er schob seinen Ärmel nach oben und nun erblickte ich lange Kratzer, die seinen Arm zierten. Mir war sofort klar, dass der Typ genau wusste, wovon er sprach und vielleicht hatte er auch Recht, aber was hätte ich denn sonst tun sollen?
Ich konnte nichts sagen. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Warum konnte das nicht alles einfach ein Traum sein und ich würde jeden Moment aus diesem erwachen, doch nichts tat sich. Ich saß immer noch in diesem Wohnzimmer und wurde von drei Augenpaaren angestarrt. Keinen Ton gab ich von mir und mir war klar, was ich nun zu tun hatte.
Ohne ein Wort stand ich einfach auf und verließ das Haus. Sie hatten Recht! Ich wollte mein Leben nicht grundlos beenden, ich wollte alles wieder zum Guten wenden und das konnte ich tun, indem ich über meine Sorgen, Gedanken und Probleme sprach und zwar mit den Leuten, die es unter anderem auch betraf.
Ich konnte nicht genau sagen, wie lange ich bis nach Hause gebraucht hatte, aber es schien lange gedauert zu haben, da am Horizont bereits die Sonne aufging. Meine Mom war bestimmt schon wach, aber das störte mich nicht sonderlich, da ich sowieso mit ihr sprechen musste.
So betrat ich also das Haus. Candra kam mir sofot entgegen und begrüßte mich schwanzwedelnd. Kurz strich ich ihr über den Kopf und sah mich um. Aus der Küche ertönte leise Musik, die wahrscheinlich aus dem Radio zu kommen schien.
Ich schritt hinein. Meine Mom war gerade dabei Frühstück zu machen. Sie sah mich an und lächelte mir wie jeden Morgen zu. “Guten Morgen! Wo warst du denn so früh?“ Ich gab ihr darauf keine Antwort, da ich immer noch nicht ganz imstande war etwas zu sagen, stattdessen setzte ich mich an den bereits gedeckten Tisch und wartete darauf, dass die anderen wach werden und hinunterkommen würden. Gerade spielte der Radiosender den neuen Song von Rihanna “Umbrella“. Ich lauschte und innerlich begann ich selber mitzusingen, aber schon musste ich wieder an Naomi denken, da sie gewisse Ähnlichkeit mit Rihanna hatte. Eigentlich hatte ich vor, sie aus meinem Gedächtnis zu verbannen, doch dies war nicht so leicht wie ich es mir vorgestellt hatte.
Ich spürte den verwirrten Blick meiner Mom auf mir ruhen, da ich ihr keine Antwort gegeben hatte, doch dies störte mich nicht im geringsten, ich wollte einfach warten und nichts tun, genau das tat ich auch.
Nervös schaute ich auf die Uhr, die gerade sieben Mal schlug. Normalerweise hätte ich noch lange darauf warten können bis die Jungs eintrudelten, denn immer wenn wir frei hatten, schliefen wir ziemlich lange, aber heute waren seltsamerweise alle um diese Zeit bereits wach. Vielleicht lag es auch einfach an dem leckeren Duft, der von dem Essen kam.
Sie setzten sich alle hin und achteten nicht sonderlich viel auf mich, doch das wollte ich ändern. Ich war für alle immer nur das Küken gewesen, nur weil ich der Jüngste war, doch im weitesten der Reifste, dachte ich zumindest, doch sahen die anderen dies wohl anders, aber mir war das egal. Ich wusste, was ich konnte und das reichte vollkommen aus.
Auch Naomi war anwesend, nur ihr schenkte ich keine Beachtung. Sie hatte mir schon genug wehgetan, ich wollte diesen Schmerz endlich einmal loswerden und von vorne beginnen.
So köpfte ich also mein hartgekochtes Frühstücksei und blickte in die Runde, dann räusperte ich mich, bis wirklich alle Blicke nur auf mich gerichtet waren. Gespannt warteten sie darauf, was ich ihnen zu sagen hatte und jetzt musste ich auch da durch, dabei dachte ich an Roxy und ihre beiden Freunde, die mir bei dieser Entscheidung wirklich sehr weitergeholfen hatten, denn nun wusste ich endlich was ich wollte.
Ich holte tief Luft und begann langsam zu sprechen. Meine Stimme zitterte leicht und ich war nervös, aber ich wusste, dass sie mich verstehen würden, erst jetzt, als ich ihre Gesichter sah, wurde mir dies bewusst. “Ich würde gerne mit euch über etwas Wichtiges reden...“, fing ich an. “Schieß los!“, grinste Mikel, bekam für diesen Kommentar jedoch einen heftigen Stoß in die Rippen von Chris, da er wohl nicht wollte, dass nun jemand dazwischensprach, dabei musste ich mir ein kleines Lächeln verkneifen, da es nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt zum lächeln war.
Ich schilderte ihnen jede Einzelheit. Wie ich mich jedes Mal fühlte, wenn man irgendwelche Witze auf meine Kosten machte, mit welchem Gedanken ich schon oft gespielt hatte, vor allem in letzter Zeit.
Sie hörten mir genau zu und schienen tatsächlich zu verstehen, welche Leiden ich so lange bereits mit mir herumgetragen hatte und dann wollte ich noch eine Sache loswerden, bevor ich die anderen zu Wort kommen lassen wollte. Erneut holte ich tief Luft und zupfte nervös an meiner Hose, beziehungsweise der Hose von Roxys Bruder. Speziell sah ich Chris, Mikel, Jay und Izzy an, denn sie betraf es vor allem, doch auch meine Eltern müssten mit meiner Entscheidung leben müssen, ich hatte lange darüber nachgedacht und mir war endlich klar geworden, dass ich nicht anders konnte.
“Leute, hört mal. Ich habe nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich nicht ohne die Band kann. Wenn es für euch in Ordnung wär, dann würde ich wieder einsteigen.“ Aufgeregt sah ich die vier an. Es breitete sich ein Grinsen auf ihren Gesichtern aus, bis sie aufstanden und mich stürmisch umarmten. Nun waren wir endlich wieder vereint. Wir waren wieder US 5! Und so schnell könnte uns niemand mehr trennen.
There was something right
I once called you mine
But in this case
Going your way
Would be a big mistake
Girl I ain’t blind (blind)
I see right through your eyes (eyes)
You don’t love, you betrayed me
And that was your mistake